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Zwei Frauen: Roman (German Edition)

Zwei Frauen: Roman (German Edition)

Titel: Zwei Frauen: Roman (German Edition) Kostenlos Bücher Online Lesen
Autoren: Diana Beate Hellmann
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fragten sie jedes Mal, ob es schmerzen würde, und sie waren jedes Mal verwundert, dass ich ihnen darauf keine Antwort gab. »Ich werde es überleben!«, wäre das Einzige gewesen, was ich hätte sagen können, und das zu sagen erschien mir überflüssig. Also sagte ich gar nichts und starrte stattdessen nur immer, mal mit geöffneten Augen auf das Fußende meines Bettes, mal mit geschlossenen Augen in die Tiefen meines Ichs: Ich war allein mit mir, in mir abgeschlossen, einbetoniert in Leere und Trostlosigkeit und Angst.
    Dass ich mich in diesem Zustand befand, entging niemandem. Allerdings schien auch niemand an diesem Zustand etwas ändern zu wollen. Auf der Intensivstation ließ man mich gewähren. Ich wurde weder bedrängt, noch erwartete man etwas von mir, ich konnte mich ganz und gar meinem Leiden ergeben. Doch dann kam der 20. Januar, und ich wurde in die S 1 zurückverlegt …
    »Herzlichen Glückwunsch, Eva! Ich kann ja gar nicht sagen, wie froh wir sind, dass wir sie wieder bei uns haben! Wie ist es denn? Geht es so einigermaßen? Sind die Fäden schon gezogen? Fühlen Sie sich gut?«
    Schwester Gertrud war die Erste, die über mich herfiel. Zuerst bombardierte sie mich mit einem fast drei Pfund schweren Gebinde, das aus weißen Chrysanthemen und allerlei Friedhofsblumen bestand, dann mit so vielen Fragen auf einmal, dass ich mich außer Stande sah, auch nur eine einzige davon zu beantworten.
    »Sie machen die Eva ja ganz nervös!«, meinte Doktor Behringer daraufhin. »Und das wollen Sie doch nicht, Schwester Gertrud! Was es bedeutet, nervös zu sein, haben wir schließlich zur Genüge erfahren müssen in den letzten Tagen!«
    Dann erzählte er in aller Ausführlichkeit, was für eine schreckliche Zeit er hinter sich hätte, dass er vor Sorgen kaum in den Schlaf gekommen wäre, ja, sogar einen Raucher-Rückfall erlitten hätte, und all das wegen mir.
    »Stellen Sie sich das mal vor, Eva! So eine Aufregung wünsche ich niemandem, lassen Sie sich also bloß nicht nervös machen!«
    Dieser gewiss gut gemeinte Rat war aber kaum in die Tat umzusetzen, denn es gab ja unsere Helma. Die ließ natürlich nichts aus, um mir auf die Nerven zu gehen. Eine stramme halbe Stunde brauchte sie an diesem Vormittag, um die Blumen, die man mir verehrt hatte, aus dem Zellophanpapier auszupacken, anzuschneiden und in eine Vase zu stellen, und dabei sagte sie alle paar Minuten: »Nun lächeln Sie doch mal, Eva!«
    Da ich ihr den Gefallen nicht tat, setzte sie schließlich zum Tiefschlag an: »Dann zeigen Sie mir wenigstens mal Ihre Narbe!«
    Mit Todesverachtung gab ich nach, ich hatte gar keine andere Wahl. Dieser Unsitte hatte sich nämlich jeder Operierte zu beugen, ob er wollte oder nicht. Weltweit zeigte man vor, wie man wo geöffnet worden war. Für Schwester Helma wurde der Anblick meines Bauches dann auch tatsächlich zum unvergleichlichen Erlebnis; die Realität überbot ihre Erwartungen.
    »Ach, du lieber Himmel!«, rief sie erschüttert aus.
    Vom kosmetischen Gesichtspunkt aus war die Operation in der Tat ein Reinfall geworden: Von einem Beckenknochen zum anderen hatte man mich aufgeschlitzt, und zwar unterhalb des Bauchnabels. Das waren keine Narben, das war ein medizinisches Schlachtfeld, über das man nur noch den keimfreien Mantel des Schweigens ausbreiten konnte.
    »Na ja«, seufzte Helma, nachdem sie sich meinen Bauch von allen Seiten angesehen hatte, »vielleicht ging es ja nicht anders, und Mannequin für Unterwäsche wollen Sie ja bestimmt nicht werden … oder?«
    Ich sandte Helma lediglich einen strafenden Blick, worauf sie errötete und mich nochmals anregte, doch nun endlich mal zu lächeln.
    Danach herrschte erst einmal Ruhe. Man ließ mich glücklicherweise allein. Nach etwa zehn Minuten musste ich jedoch feststellen, dass mir die Ruhe auch nicht half: Die überforderte mich, weil ich nichts mit ihr anzufangen wusste. Lesen konnte ich nicht, dazu war ich viel zu unkonzentriert, Musik hören oder fernsehen wollte ich nicht, und einfach nur daliegen konnte ich erst recht nicht, denn jeder Gedanke riss ab, bevor ich ihn überhaupt richtig hatte, jedes Gefühl schien tot zu sein … Der Verzweiflung nahe schlug ich die Hände vors Gesicht und begann zu heulen. Es war alles so furchtbar … Und dann kam auch noch Professor Mennert.
    Meine Tränen ignorierte er gekonnt.
    »Na?«, witzelte er, während er die Zimmertür hinter sich zufallen ließ und seine Hände wie eine schwangere Frau in den Rücken

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