Bücher online kostenlos Kostenlos Online Lesen
Zwei Frauen: Roman (German Edition)

Zwei Frauen: Roman (German Edition)

Titel: Zwei Frauen: Roman (German Edition) Kostenlos Bücher Online Lesen
Autoren: Diana Beate Hellmann
Vom Netzwerk:
Hand.
    »Unsinn!«, schimpfte er. Das klang wie vorprogrammiert, das hätte er wohl auch geantwortet, wenn ich ihn nach der Uhrzeit gefragt hätte. »Du musst nur durchhalten!«, feuerte er mich an. »Du musst!«
    »Ich … ich kann … aber nicht …«
    »Du musst, Eva!!!«
    Ich blickte zu meiner Mutter hinüber. Sie stand immer noch im Türrahmen und sah mich an, aber eigentlich taten ihre Augen mehr, als nur zu sehen: Sie nahmen mich in sich auf. Es war, als würde meine Mutter in vollem Bewusstsein all das in sich aufsaugen, was ich in dieser Stunde war, um es später einmal aufwiegen zu können gegen das, was ich früher gewesen war, und gegen das, was ich unter anderen Umständen hätte werden können. Wie anders sahen mich da die Augen meines Vaters an! Angst und Ohnmacht waren darin zu erkennen, ebenso aber Zorn und Entschlossenheit. Nichts Verzeihendes lag in diesem Blick, nur Kraft und blindes Verlangen.
    »Nein …«, hauchte ich bei diesem Anblick, »… nein!« Ich wollte nicht schon wieder kämpfen, ich wollte meinen Frieden, ich wollte diesen Schmerzen entfliehen, diesem Bett und diesem Ort, und ich wollte endlich frei sein, endlich … Wieder brach ich in Tränen aus und schluchzte, dass es meinen geschundenen Körper auf und nieder warf.
    »Hör auf!«, erklang da die Stimme meiner Mutter. »Hör sofort auf!«
    Mit zwei Schritten stand sie neben mir, und der metallene Infusionsständer knallte gegen das metallene Bettgestell, was ein wahrhaft schauerliches Geräusch machte.
    »Sofort hörst du auf zu heulen!«, wiederholte sie, und ihre Stimme klang äußerst scharf.
    »Nein … Mama …«, wimmerte ich.
    »Doch! Du hast gehört, was Doktor Behringer gesagt hat.«
    »Keif sie jetzt nicht an!«, mischte sich mein Vater nun auch noch ein.
    »Lass mich!«, schrie meine Mutter zurück. »Ich werde nicht zulassen, dass mein Kind stirbt!«
    »Glaubst du etwa, ich?«
    Das gab mir den Rest. Vieles hätte ich mir träumen lassen, aber dass meine Eltern an meinem Sterbebett darüber in Streit geraten würden, wer von ihnen mehr an meinem Leben hinge, wäre mir nie in den Sinn gekommen. So verdrehte ich formschön die Augen und versank in jenem Nebel, der alles ein bisschen erträglicher, wenn auch gefährlicher machte. Meine Mutter bemerkte das als Erste. »Ernst?«, hörte ich sie plötzlich ängstlich sagen. »Ernst, was ist mit ihr? Was ist …?«
    »Eva!« Mein Vater drückte meine Hand, aber die bot keinerlei Widerstand. »Eva?«
    »Sie ist tot.«
    Für einen kurzen Augenblick herrschte Schweigen, dann gingen meinem Vater die Nerven durch.
    »Quatsch!«, tobte er. »Was für ein himmelschreiender Schwachsinn! Guck doch auf das Dingsda, Elisabeth, auf das … ekg! Die ist quicklebendig.«
    Wieder herrschte für einen kurzen Augenblick Schweigen, dann gingen meiner Mutter die Nerven durch.
    »Quicklebendig!«, empörte sie sich. »Was für ein Wort ist das bitte schön in dieser Situation? Wie kannst du nur so etwas sagen, Ernst, ich meine …«
    »Guten Abend!«
    Die Stimme aus dem Hintergrund kam mir sofort bekannt vor, zu bekannt, als dass ich dafür die Augen geöffnet hätte. Mein Verdacht bestätigte sich auch so.
    »Herr und Frau Martin?«, erkundigte sich die Stimme.
    »Ja?«
    »Ich bin Pfarrer Lossmann!«
    Der hatte mir gerade noch gefehlt! Da hatte ich nun in den vergangenen Monaten unsägliche Qualen auf mich genommen, um am Leben zu bleiben, und jetzt schickte mir Gott in der Stunde meines Todes ausgerechnet diesen Albtraum von einem Pfarrer. Ich konnte es nicht fassen.
    »Eva!«, ertönte es da auch schon laut an meinem Ohr. »Eva, hören Sie mich? Ich bin Pfarrer Lossmann!«
    Ich tat so, als wäre ich taub, und vernahm voller Dankbarkeit die anklagende Stimme meines Vaters.
    »Sie ist bewusstlos!«, fuhr er Lossman an. »Das sehen Sie doch!«
    Der Pfarrer seufzte. »Kennen Sie den Konfirmationsspruch Ihrer Tochter?«
    »Nein!«, brummte Papa.
    »Wer da sät im Segen, der wird auch ernten im Segen!« Meine Mutter sagte das ganz andächtig, und das war für Lossmann ein gefundenes Fressen.
    »Das sind weise Worte«, tönte er, »wahre Worte. Sie sollten auch Ihnen ein Trost sein in diesen schweren Stunden …«
    Mehr verstand ich nicht. Der Herr Seelsorger drosselte vorübergehend die Lautstärke, und so bekam ich nur die enervierende Monotonie seines Kanzelorgans mit. Dafür wollte ich gerade meinem Schöpfer danken, als es mir neuerlich ans Fell ging.
    »Eva!«, brüllte Lossmann mir ohne

Weitere Kostenlose Bücher