Zwei Frauen: Roman (German Edition)
Ihnen, meine Liebe, war es wohl nur eine Spielecke!
Dass er mit dieser Reaktion den Nerv traf, war offensichtlich, denn Daniela fing an, sich zu ärgern. Als meine Mutter dann auch noch verkündete, sie würde die Ansicht ihres Mannes teilen, war es ganz um das Fräulein Römer geschehen.
»Immer?«, giftete sie in all ihrem Zorn.
Meine Mutter lächelte. »Nein, nicht immer – aber in diesem speziellen Fall. Ein Mädchen wie Eva sollte in der Gesellschaft nun mal eine gute Figur abgeben.«
»Halten Sie das für so wichtig, Frau Martin?«
»Für enorm wichtig, Fräulein Römer. Ebenso wichtig ist nur noch, dass ein Mädchen wie Eva auch eine Küche leiten und einen Haushalt führen kann.«
»Und wie ist es mit Reiten, Tennisspielen und Segeln?«
»Das kann Eva schon!«
Mein Vater lauschte voller Wonne, wie seine ihm angetraute Ehefrau sämtliche Register zog, und gemeinsam genossen sie nun den Anblick einer völlig verwirrten Daniela.
Die konnte sich nur noch in Klagelieder flüchten.
»Als Psychologin kann ich Ihr Verhalten einfach nicht billigen!«, jammerte sie. »Zumal sich so etwas ja nicht zum ersten Mal ereignet. Ich erinnere mich noch zu gut an Evas erste Chemotherapie. Da ging es ihr so schlecht, dass Professor Mennert die Behandlung abbrechen musste, und als es ihr danach wieder besser ging, sind Sie gekommen und haben ihr den Schallplattenspieler da geschenkt – zur Belohnung, weil es ihr wieder besser ging.«
»Und?«, lächelte meine Mutter sie an.
»Wenn Sie das selbst nicht wissen, tut es mir Leid!«
Das wäre eigentlich ein gutes Schlusswort gewesen, doch wollte sich eine Frau wie Daniela so einfach natürlich nicht ergeben.
»Was sagst du denn dazu?«, zog sie mich nun in diese Sache hinein. Mir war das gar nicht recht.
Ich hatte mich bis zu diesem Augenblick ganz bewusst zurückgehalten, vor allem, weil es mir Freude gemacht hatte, mit anzusehen, wie man auf meine Eltern reagiert, wenn man nicht durch den Überlebenskampf ihrer Erziehung gegangen war. Daniela hatte hier schlicht und ergreifend versagt, und ich fragte mich, wie sie es mit dieser schlechten Kondition so weit im Leben hatte bringen können.
»Was ich dazu sage?«, wiederholte ich schließlich nach endlos scheinenden Überlegungen.
»Ja!«
»Was soll ich schon dazu sagen, Daniela? Du hast es doch gehört. Meine Eltern haben meine Zukunft bereits verplant.«
»Und das nimmst du hin?«
Ich lächelte auf das Sanfteste, eine Miene, die meine Eltern von Kindheit an beunruhigt hatte.
»Aber natürlich nicht«, erklärte ich dann. »Ich habe nicht im Entferntesten die Absicht, mich mit Englisch und Französisch zu plagen, Maschineschreiben und Stenografie zu erlernen und dann dieses so mühsam verteidigte Menschenleben in einem tristen Büro zu fristen …«
»Was???«, brüllte mein Vater sofort.
»Habe ich mich nicht deutlich genug ausgedrückt?«
»Eva!«, zischte meine Mutter. »Nicht in diesem Ton!«
»Wieso?«, gab ich ruhig zurück. »Das ist doch genau dein Ton, Mama. – Nein«, fuhr ich dann mit fester Stimme fort »bevor ich mich so verplanen lasse … ich habe mich da bereits anderweitig entschieden … ich mache von Harrys Angebot Gebrauch!«
»Harry?« Meine Mutter war auf einmal schreckensbleich.
»Ja, Mama, den ich damals in der Frauenklinik kennen gelernt habe!«
Mein Vater atmete schwer.
»Du weißt doch, Elisabeth«, brummte er.
»Nein, Ernst, ich weiß nicht!«
»Deine Tochter spricht von dem Zuhälter, der ihr damals die Stelle angeboten hat.«
»Was?« Meine Mutter war einer Ohnmacht nahe. »Heißt das, dass du auf den Strich gehen willst?«
»Warum nicht?«, erwiderte ich ungerührt. »Das ist besser als Dolmetscherin oder Sekretärin – mit anderen Worten: Das ist besser als nichts!«
Ich war mal wieder über mich selbst erstaunt. Das mit Harry war mir gerade erst eingefallen, aber ich sagte es mit so viel Überzeugungskraft, dass meine Eltern zu spüren glaubten, wie ernst es mir damit war. Fortan fragte man mich nie wieder nach meinen beruflichen Plänen.
»Das musst du ganz allein entscheiden!«, hieß es nur immer. »Schließlich geht es ja auch allein um dich.«
Derweil erstarrte Daniela vor Überraschung, denn so geballt hatte sie die Familie Martin noch nie erlebt.
»Dass dein Vater beeindruckend ist in seinem Zorn«, erklärte sie mir, »das wusste ich. Und wie beeindruckend deine Mutter in ihrer Würde ist, wusste ich auch. Nur …«
»Was?«
Sie schaute mich an und
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