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Zwei Frauen: Roman (German Edition)

Zwei Frauen: Roman (German Edition)

Titel: Zwei Frauen: Roman (German Edition) Kostenlos Bücher Online Lesen
Autoren: Diana Beate Hellmann
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verdammten Kaffee. Mit fast zärtlichen Gesten goss er die Milch hinein, warf ein Stückchen Zucker hinterher und tauchte den Kaffeelöffel ein. Dann begann er, ihn kreisen zu lassen, immer wieder, immer wieder, und das helle Klirren zerrte an meinen Nerven, dass ich es zuletzt kaum noch ertragen konnte.
    »Herr Professor!!!«
    Langsam schaute er auf.
    »Wie lange geben Sie mir?«
    »Soll ich Ihnen das als Mensch oder als Arzt beantworten?«
    Ich erschrak. Während der letzten zehn Minuten war ich mir wie die unwichtigste Nebensache der Welt vorgekommen. Deshalb hatte ich insgeheim wohl damit gerechnet, dass der Professor gar nicht mehr so genau wusste, worum es bei unserem Gespräch überhaupt ging. Dass er es jetzt doch wusste, und das auch noch auf Anhieb, zeigte mir, dass er die ganze Zeit über an nichts anderes gedacht hatte als an meine Frage und an seine Antwort.
    »Das … das ist mir egal!«, erwiderte ich entsprechend verwirrt, »Hauptsache, Sie sagen überhaupt etwas.«
    »Als Mensch würde ich Ihnen sagen: Sie sind gesund. Wie können Sie mich also so etwas fragen?«
    »Und als Arzt, was würden Sie da sagen?«
    »Wollen Sie das wirklich wissen?«
    »Ja.«
    Er sah mich fest an. »Sieben Jahre! Vielleicht zehn! – Dass Sie neunzig werden wie Ihre Großmutter, kann ich mir nicht vorstellen.«
    Der Boden unter mir begann zu schwanken. Sieben Jahre! Ich wagte nicht zu atmen. Vielleicht zehn! Ich fürchtete, zerbrechen zu müssen, wenn ich es tat. Sieben Jahre! Das war nichts. Vielleicht zehn! Das war zumindest nichts, wenn man es gegen all das aufwog, was ich dafür auf mich genommen hatte: die Chemotherapie, die Bestrahlungen, die Operation … Ich schloss die Augen und umklammerte mit den Händen die Sessellehnen. Warum hatte ich nicht schon früher darüber nachgedacht, es wäre mir damals schon aufgefallen …
    »Im Augenblick geht es Ihnen so gut, Eva, dass Sie diese Klinik verlassen könnten.«
    »Für wie lange, Herr Professor?«
    »Für ein Jahr. Oder zwei.«
    »Und mit der Operation?«
    … erst jetzt erinnerte ich mich an dieses Gespräch, aber jetzt war es zu spät. Damals hätte es mir auffallen müssen, dass Mennert mir auf diese entscheidende Frage nie eine Antwort gegeben hatte.
    Und dann diese zweiten Bestrahlungen! Drei Wochen war es erst her, seit Mennert diesen Satz gesagt hatte: »Das würde die Sicherheit einfach erhöhen!« Ich hatte ihn überhört, diesen Satz, die wirklich wichtigen Dinge überhörte ich ja immer, wie es schien …
    Langsam, aber sicher kam ich wieder zu mir, atmete tief durch, ließ die Sessellehnen los, schaute auf. Der Professor saß unverändert da, sah mich an.
    »Es war ein Spiel für Sie«, flüsterte ich, »ein Abenteuer … nicht wahr?«
    »Was?«
    »Die Operation! Sie wollten den Nervenkitzel, diesen Rausch, alles auf eine Karte zu setzen und dabei vielleicht alles zu verlieren …«
    »Aber Eva!«
    »Verleiht die Ärztekammer für so was wie mich Medaillen?«
    »Eva!«
    »Und wenn ich nicht nur zehn, sondern elf Jahre überlebe … gibt es dafür dann das Bundesverdienstkreuz? Am Band?«
    Mennert sagte dazu nichts, vielleicht, weil es ihm zu dumm war, vielleicht, weil ich die Wahrheit sprach, vielleicht, weil er nachvollziehen konnte, was in diesem Augenblick in mir vorging. Ich kam mir unendlich dumm vor. Die hinter mir liegenden zwei Jahre schienen auf einmal so sinnlos gewesen zu sein, und ich schämte mich, das nicht früher erkannt zu haben. Ich schämte mich, um einen Sieg gekämpft zu haben, der in Wahrheit nichts anderes war als eine aufgeschobene Niederlage. Und wie ich gekämpft hatte! Ich hatte gekämpft, um mein Ziel zu erreichen, gesund zu werden und endlich wieder leben zu können wie all die anderen … Jetzt saß ich da und musste erkennen, dass ich in meinem Kampf am Ziel vorbeigeschossen hatte, dass mir all mein Wille und all mein Mut nicht mehr gebracht hatten als ein paar lächerliche Jahre, in denen ich möglichst auch noch auf alles verzichten sollte, was einem Menschen normalerweise Freude machte.
    »Sagen Sie«, hörte ich mich da plötzlich fragen, »steht das Bumsen eigentlich auch auf Ihrem Index?«
    Professor Mennert hatte vermutlich mit vielem, aber nicht damit gerechnet. Das sah ich ihm an.
    »Nun«, meinte er verkrampft lachend, »das Bumsen nicht, aber … aber Sie sollten sich vorsehen, dass Sie in allernächster Zeit nicht schwanger werden …«
    »So?«
    »Ja, Eva … die Strahlen- und die Chemotherapie liegen einfach

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