Zwei Frauen: Roman (German Edition)
mich zu sehen. Sie war eine ungemein attraktive Frau, die stets für jeden ein freundliches Wort hatte. Auch mich überhäufte sie erst einmal mit Komplimenten über mein Äußeres, und da ich es meiner Rolle schuldig war, ging ich darauf ein. Scheinbar unbekümmert plauderten wir miteinander, und dabei fragten wir uns wohl beide, inwieweit die Unbekümmertheit des anderen nun echt oder nur scheinbar war. Den längeren Atem hatte ich. Meinem Gegenüber ging zuerst die Luft aus, denn auf einmal lächelte sie mich zuvorkommend an.
»Kommen Sie, Frau Martin! Der Chef erwartet Sie schon!« Noch während sie das sagte, spürte ich ihre Hand in meinem Rücken, eine Hand, die mich mit sanfter Gewalt meiner Bestimmung zuschob. Es war ein unangenehmes Gefühl, aber ich ließ es zu, denn ich hielt es für einen Wink des Schicksals: Alle Menschen hatten eine Wirbelsäule, ich musste beweisen, dass ich darüber hinaus auch noch ein Rückgrat besaß … jetzt!
Etwa ein Jahr war es her, seit ich Mennerts Büro als Siegerin verlassen hatte. Damals war mir alles in diesem Raum liebevoll und vertraut vorgekommen, jetzt hatte ich das Gefühl, in der Fremde zu sein. Die kostbaren alten Möbel, die mich bei meinem ersten Besuch so sehr beeindruckt hatten, erschienen mir jetzt plötzlich wie eine Bedrohung. Mir war, als flüsterten sie, die Jahrhunderte überdauert hatten, einander Dinge zu, die mich betrafen, und die ich nicht hören sollte, als hätten sie sich gegen mich verschworen. Professor Mennert schien mit ihnen gemeinsame Sache zu machen. Wie ein Vermittler zwischen den Welten saß er mit einem undurchdringlichen Lächeln auf den Lippen hinter seinem Schreibtisch und sah mich an. Das bestärkte mich nur noch in meiner künstlich erworbenen Geisteshaltung:
Jetzt kam es darauf an, die nächsten Minuten waren die entscheidenden, ich musste mich zusammennehmen. Also straffte ich mich, legte den Kopf in den Nacken …
»Guten Morgen, Herr Professor!«, sagte ich mit betont fester Stimme.
Er nickte nur. »Nehmen Sie Platz, Eva!«
Mennert machte keinen Hehl daraus, dass ihn mein Selbstbewusstsein irritierte, und um erst mal noch ein bisschen Zeit zu gewinnen, bat er seine Sekretärin, keine Anrufe durchzustellen und ihm eine Tasse Kaffee zu bringen. Nachdem sie fort war, sortierte er dann ein paar Papiere, die vor ihm lagen, und erst als er damit fertig war, schaute er auf. Ich war derweil in einen der Ledersessel geglitten und hatte kess die Beine übereinander geschlagen. Mennert nahm es zur Kenntnis, aber sein Blick hatte etwas von einem Röntgenstrahl, und noch immer lag dieses undurchdringliche Lächeln auf seinen Lippen. Ich zündete mir eine Zigarette an …
»Sehen Sie«, hörte ich den Professor da auf einmal seufzen, »so ist das immer! – Da habe ich mir die halbe Nacht den Kopf zerbrochen, wie ich wohl am besten anfange bei diesem Gespräch – und jetzt machen Sie es mir ganz leicht: Das sollten Sie nämlich beispielsweise schon mal lassen!« Mit einer flinken Bewegung nahm er mir die Zigarette aus der Hand und zerdrückte sie im Aschenbecher. »Davon können Sie Lungen- oder Kehlkopfkrebs bekommen!«
»Was?« Ich war völlig verwirrt. Dass der Genuss von Zigaretten nicht gesundheitsfördernd war, wusste schließlich jedes Kind. Um mir das zu sagen, hätte man mich nun wirklich nicht herbestellen müssen. Ich durfte mir gar nicht vorstellen, dass ich mir wegen eines solchen Schwachsinns die Nacht um die Ohren geschlagen hatte.
»Sonst noch was?«, erkundigte ich mich entsprechend gereizt.
»Ja, Eva«, sagte er ruhig, »da ist auch sonst noch was, und zwar eine ganze Menge. Sie sollten zum Beispiel auch keinen Alkohol trinken, Fleisch sollten Sie meiden und Nachtschattengewächse. Und in die Sonne sollten Sie nicht gehen …!«
»Wa-a-a-s?« Das wurde ja immer schöner! Ähnlich ungereimtes Zeug hatte ich wohl noch nie gehört. Ich verstand einfach nicht, was Tabak, Bier, Rumpsteak, Tomaten und Sonnenbäder mit mir zu tun haben sollten, und weil ich es nicht verstand, konnte es meines Erachtens nur eine einzige Erklärung geben.
»Klassische Mediziner-Repressalien!«, schimpfte ich. »Es ist doch immer das Gleiche! Ihr raucht wie die Schlote und schluckt wie die Spechte, ihr esst, was euch schmeckt, und ihr macht auf Bali Ferien, aber all das verbietet ihr euren Patienten!«
Das sprang mir nur so von der Zunge. Ich hatte es noch nicht ganz ausgesprochen, als ich auch schon wieder eine brennende Zigarette
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