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Zwei Frauen: Roman (German Edition)

Zwei Frauen: Roman (German Edition)

Titel: Zwei Frauen: Roman (German Edition) Kostenlos Bücher Online Lesen
Autoren: Diana Beate Hellmann
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entgegen.
    »Ich möchte dir doch nur helfen …«, flüsterte sie.
    »Ich weiß«, erwiderte ich.
    »Dann komm!«
    »Nein!«
    »Nein?«
    »… Ich will jetzt erst mal …«
    »Was, Eva?«
    »… in aller Ruhe weinen!«

KAPITEL 33
    Als ich mein Zimmer betrat, packte mich im ersten Moment das nackte Entsetzen: Es sah darin aus wie in einer Gruft. Schwester Helma hatte die Vorhänge nicht aufgezogen, sodass es schien, als ließe das Licht der Welt mir nur ein paar elende Schatten übrig, aber das Bett war perfekt gemacht, über einem der Stühle lag mein Morgenmantel, und auf dem Nachttisch stand ein Kännchen mit Kamillentee. »Den wirse jetz immer kriegen!«, hatte Claudia mir damals prophezeit, und genauso war es gekommen. Seit jenem Tag servierte man mir ständig Kamillentee, und wenn ich mich darüber beschwerte, hieß es nur jedes Mal: »Aber, Eva, den haben Sie gestern doch auch getrunken!« Wütend schlug ich die Tür hinter mir zu, verschränkte die Arme vor der Brust. Das sollte also mein Leben sein! Eine abgedunkelte, von steriler Ordnung beherrschte Einöde, in der man bereits als Genießer galt, wenn man eine stinkende, ungezuckerte und ausgekühlte Brühe in sich hineinschüttete. Das sollte mein Leben sein? Ich knurrte wie ein blutrünstiges Raubtier.
    Ich wollte nicht in Ruhe weinen, wie ich Daniela gegenüber behauptet hatte, dazu wäre ich in diesem Moment gar nicht fähig gewesen. Ich wollte zerstören, irgendetwas wollte ich in blinder Wut zerstören, zertrümmern, zerschmettern …
    Damals hatten wir gerade zwei Neuzugänge bekommen, äußerst sensible Wesen. Die eine hieß Maren und sprach kaum einmal, und wenn sie es ausnahmsweise mal tat, stotterte sie dabei, und die andere, Tanya, war ein verzärteltes Püppchen, dem man von Kindheit an jeden noch so irrwitzigen Wunsch erfüllt hatte. Beide Mädchen litten an Lymphogranulomatose, und seit sie das erfahren hatten, waren knapp achtundvierzig Stunden vergangen. Entsprechend groß war ihrer beider Verzweiflung und Fassungslosigkeit. Sie ließen keine Gelegenheit aus, um sich selbst zu beweinen bzw. von anderen beweinen zu lassen. Das wusste ich! Deshalb lief ich an diesem 8. März mit großen Schritten zurück auf den Gang, klopfte nur kurz – dafür aber laut – an die Zimmertür der stotternden Maren und der verwöhnten Tanya, und noch bevor sie mich hereinbitten konnten, stand ich dann auch schon vor ihnen. Sogleich hatte ich ein erstes Erfolgserlebnis: Wie es aussah, hatte ich die beiden beim Leiden gestört.
    »Na, ihr Pfeifen!«, begrüßte ich sie dann. »Ich bin die Eva, und wer seid ihr?«
    Man antwortete mir natürlich nicht, man starrte mich nur an.
    »Ach so ist das!«, tönte ich daraufhin. »Ihr sprecht nicht mit jedem – dann kratzt ihr hoffentlich bald ab. – Wann?«
    Wenn ich ein spitzes Küchenmesser gehabt hätte, wäre ich damit auf die beiden losgegangen. Leider ahnten sie aber nicht einmal, dass alles schlimmer hätte kommen können, und weil sie es nicht ahnten, fühlten sie sich bereits durch meine Worte tätlich angegriffen, und deshalb fing Klein-Tanya auf Kommando an zu weinen, und Klein-Maren verkroch sich unter der Bettdecke, sodass nur noch ihre Stirn zu sehen war.
    Das machte mich rasend »Wann ihr abkratzt!!!«, tobte ich. »Wann ihr abkratzt, will ich wissen!!! Wann??? Wann, verflucht noch mal???«
    Im gleichen Moment flog die Tür auf, und Doktor Behringer stand im Raum. Ich hatte wohl so laut gebrüllt, dass er es bis ins Ärztezimmer hatte hören können.
    »Sind Sie wahnsinnig?«, fuhr er mich an. »Was fällt Ihnen ein?«
    Ich grinste nur.
    »Machen Sie, dass Sie ins Bett kommen, Eva, aber schnell – sonst vergesse ich mich und lege Sie übers Knie!«
    Ich grinste nur noch mehr und tänzelte an ihm vorüber. »Angeber!«
    »Vielleicht wird man eines Tages behaupten, Sie wären eine Heldin, aber für mich sind Sie nichts anderes als ein Monstrum!«, schrie Behringer mir hinterher.
    Die nächsten zehn Tage blieb ich mehr oder weniger auf meiner Bettkante sitzen. Nur wenn ich zur Toilette musste, stand ich auf, und wenn ich vor Müdigkeit fast umfiel, legte ich mich hin. Ansonsten saß ich da wie festgeklebt, die Beine übereinander geschlagen, den Blick fest auf meine Knie gerichtet. Meine Wut hatte ich durch den Angriff auf Maren und Tanya ausgelebt, was ich jetzt verspürte, war Angst.
    »Wir suchen alle nach etwas, was uns längst gefunden hat.«
    Dieser Satz hatte mir bisher immer ein Gefühl von

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