Zwei Frauen: Roman (German Edition)
erfuhren, dass die Chefvisite auf den Montag verschoben wurde, sank unser beider Laune auf den Nullpunkt.
»Ihnen kann es ja gleichgültig sein«, sagte Frau Klein zu mir, »Sie haben sich auf zehn Tage eingerichtet, und die sind sowieso erst am Montag um. Aber ich! Ich will endlich wissen, was mit meinen Leberwerten ist.«
Sie tat mir Leid. Ich hätte mich zwar auch gefreut, wenn ich noch vor dem Wochenende hätte nach Hause gehen können, aber auf zwei Tage mehr oder weniger kam es jetzt nicht mehr an. Die Untersuchungen waren abgeschlossen, die Befunde lagen dem Herrn Chefarzt vor. Er würde sie auswerten, mir am Montag das Ergebnis mitteilen, mir ein paar passende Pillen verschreiben und mich entlassen. Da war ich mir ganz sicher.
Entsprechend gelassen vertrieb ich mir die Zeit, die ich zumeist im Bad verbrachte.
An diesem Wochenende machte mir Frau Gruber ihre zweifelhafte Aufwartung. Eine ganze Woche hatte sie nichts von sich hören lassen, um eindrucksvoll zu unterstreichen, wie sehr sie mir zürnte.
Ihrem Auftritt fehlten nur die Trommeln und die Fanfaren, sie schritt auf mein Bett zu wie ein kriegswütiger Zinnsoldat, eingehüllt in ein violettes, knöchellanges, wallendes Samtcape, abgedeckt mit einer voluminösen Russenkappe aus Blaufuchs.
»Wie kannst du das nur hier aushalten?«, tönte sie. »Habe ich dir nicht beigebracht, Eva, dass man sich ausschließlich mit schönen Dingen beschäftigen darf? So etwas wie das hier färbt doch ab. Die Umgebung ist hässlich, die Leute sind hässlich – wie willst du Schönheit verkörpern, wenn du solche Dinge an dich heranlässt?«
Sie seufzte dramatisch und ließ sich auf der Bettkante nieder.
»So schrecklich ist das alles gar nicht«, sagte ich. »Es ist sogar recht lustig hier, das hatte ich gar nicht erwartet.«
Frau Gruber war sichtlich empört. »Seit wann bist du auf der Welt, Eva, um lustig zu sein?«
Ich mochte darauf nicht antworten. Stattdessen erklärte ich ihr zu ihrer Beruhigung, dass ich nach der Chefvisite am Montag vermutlich nach Hause gehen könnte.
»So lange kann ich nicht warten!«, gab sie mir zur Antwort.
»Aber –«
»Kein Aber! Jimmy hat dich bis zum Monatsende freigestellt, ich nicht. Du wirst dich jetzt sofort anziehen und mitkommen!«
Mir wurde heiß und kalt zugleich. »Ich kann nicht«, stammelte ich.
»Wieso nicht?«
»Weil ich erst wissen muss, was es mit diesen Knoten –«
»Diese Knoten!«, kreischte Frau Gruber. »Ich kann es nicht mehr hören. Vergiss die Dinger, was soll das schon sein?!«
»Das will ich ja eben wissen.«
»Eva!«
Ich konnte damals nicht ahnen, dass Frau Gruber nur aus Angst so reagierte. Solange sie mich kannte, hatte ich mich nie ins Bett gelegt. Mit aller Macht versuchte sie, mir und vor allem sich selbst klar zu machen, dass es nur ein plötzlicher Anflug von Faulheit war, der mich niederwarf. Als ihr das nicht gelang, hüllte sie sich wieder in ihre winterliche Verkleidung und rauschte davon.
Kaum dass Frau Gruber gegangen war, trat die nächste Besucherin ein: Hilary, die gute.
Nachdem sie mir im Detail über ihre neueste Matratzen-Eroberung berichtet hatte, jenen stadtbekannten Klatschkolumnisten namens Ari Penkert, ging sie zum Angriff über.
»Du«, säuselte sie, »da ist etwas, Eva … ich will dir nur eigentlich die gute Laune nicht verderben.«
Da ich dieses Spielchen kannte, ließ ich sie gewähren, was sie dankbar zur Kenntnis nahm. »Das ist nämlich so«, fing sie an, »die Sigrid hat gesagt, die Frau Schmidt hätte erzählt, dass sie ein Gespräch zwischen Jimmy und Peter gehört hat, und der hat behauptet –«
»Wer?«
»Na, der Jimmy!«, stieß Hilary aus, erstaunt, dass ich eine solche Frage überhaupt stellen konnte.
»Also, der Jimmy hat gesagt«, fuhr sie fort, »und ich finde das so gemein, aber er hat gesagt, du seiest technisch zwar eine großartige Tänzerin, aber Gefühl hättest du nicht. Da wäre einfach keine Seele, wie ein Automat würdest du arbeiten, hat er gesagt.«
»Und wann hat er das gesagt?«
»Wann? Also, die Frau Schmidt hatte mir so unter vier Augen –«
»Aber ich denke, Sigrid hat dir das alles erzählt.«
»Sigrid? – Ja, sicher, die auch …!«
Ich stöhnte laut auf, denn genau das, was Hilary mir soeben geboten hatte, war es, was ich an diesen Stadttheater-Künstlern so abgrundtief hasste. X hatte gehört, dass Y über Z gesagt hatte, dass …
»Nie habe ich das gesagt!«, empörte sich Jimmy, als ich ihn kurz darauf am
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