Zwei Frauen: Roman (German Edition)
Gesicht.
»So möchte ich es nicht nennen«, erklärte er gedehnt. »Unter uns gesagt: Wer ist schon gesund? – Wäre ja auch furchtbar für uns Mediziner?«
Ein Blick zum Oberarzt genügte, und der begann auf Kommando zu lachen, hatte der Chef doch ganz offensichtlich einen »Witz« gemacht. Das Geschwader stimmte demokratisch ein, man zollte dem Professorenhumor Respekt. »Ja«, beendete Lenk diese Einlage, »wie gesagt, Ende der Woche, Frau Klein!«
Er reichte ihr feierlich die Hand, und obwohl sie alles andere als zufrieden und erleichtert schien, tat sie, was man in derartigen Fällen immer tut: Sie bedankte sich. Aber Lenk winkte sofort jovial ab.
»Ist ja unsere Pflicht!«
Dann wandte er sich mir zu.
»Eva Martin«, flüsterte ihm sein Oberarzt ins Ohr, »das ist Frau Eva Martin.«
»So?«
»Ja.«
»Aha!«
Ohne eine Regung und ohne ein Wort begutachtete er mich, und sein Gevatter »Mann im Ohr«, dieser promovierte Souffleur, grinste mich unschuldig an. Das ärgerte mich, vor allem aber machte es mich nervös. So stieß ich schließlich einen unüberhörbaren Seufzer aus, worauf der Herr Professor wie aus einem Tiefschlaf erwachte.
»Wie geht es Ihnen?«, fragte er hastig.
»Danke, gut!«
Er rümpfte die Nase und kräuselte die Stirn. »Gut dürfte ja wohl übertrieben sein«, tönte er, »Ihre Laborwerte sind zumindest … haben wir mal gerade die Laborwerte?«
Umgehend wurde er um selbige bereichert und überflog sie. »Ja, Ihre Laborwerte sind alles andere als gut. Aber Sie fühlen sich gut, ja?«
Seine herablassende Art ärgerte mich maßlos.
»Ich fühle mich sogar ganz hervorragend!«, erwiderte ich gereizt.
»Wahrscheinlich, weil Sie sich endlich mal ausschlafen können!«, parierte Lenk.
Sofort fing das Geschwader wieder an zu lachen, aber dieses Mal war es dem Herrn Professor nicht recht, und er warf einen derart bösen Blick in die Runde, dass die Fröhlichkeit augenblicklich verstummte. »Nun«, ließ er mich dann wissen, »die Untersuchungen sind jetzt erst einmal abgeschlossen, und wir müssten nun … das heißt, wir werden … Sie, Frau Martin, Sie werden … sagen wir es mal so …«
Seine Stotterei trieb meinen Ärger nur noch weiter in die Höhe.
»Kann ich nach Hause?«, unterbrach ich ihn.
Das verstörte ihn förmlich. »Wie bitte?«
»Mein Hausarzt hat mir gesagt, dass ich nach Abschluss sämtlicher Untersuchungen nach Hause gehen kann.«
»Hat er das gesagt?«
»Ja.«
»Hat er Ihnen sonst noch etwas gesagt?«
»Nein.«
Lenk warf seinem Oberarzt einen viel sagenden Blick zu.
»Was sollte er denn sonst noch gesagt haben?«, fragte ich.
»Oh …«
»Was ist mit den Knoten?«
»Tja …«
»Können Sie nichts dagegen tun?«
Lenk sah mich ernst an. »Nun«, meinte er, »Ihre Knoten sind vermutlich nicht das eigentliche Problem … ich meine …«
»Was?«
»Das werde ich Ihnen später erklären … nach der Visite … in aller Ruhe … jetzt wird Ihnen die Schwester erst mal beim Packen helfen.«
Da verstand ich überhaupt nichts mehr.
»Wieso das denn?«, giftete ich Lenk an. »Soll ich verreisen?«
Er lächelte. »Das nicht gerade, Sie werden lediglich verlegt.«
Für den Herrn Chefarzt war die Angelegenheit damit erledigt. Er reichte dem Oberarzt mein Krankenblatt und bahnte sich durch die Scharen der Stations- und Assistenzärzte seinen Fluchtweg. Er war schon fast an der Tür, als ich das begriff.
»Aber ich muss doch nach Hause«, rief ich ihm nach. »Ich habe Proben und Vorstellungen, ich muss arbeiten, ich kann doch nicht –«
»Das geht jetzt nicht, Frau Martin!«
»Aber wohin werde ich denn verlegt?«
»Das wird Ihnen die Schwester erklären.«
»Nein!!!«
Meine Stimme klang schrill wie eine Kreissäge, Ich kletterte mit einer blitzschnellen Bewegung unter meiner Bettdecke hervor, kniete mich mitten auf die Matratze, wie eine Katze, die zum Sprung ansetzen will.
»Ich lasse mich von niemandem auf den Arm nehmen«, brüllte ich, »auch nicht von Ihnen, Herr Professor! Sagen Sie mir gefälligst, was man hier mit mir vorhat?«
Lenk blieb ganz kühl; als er mich ansprach, klang seine Stimme wesentlich leiser als zuvor, das sollte mich offenbar beruhigen.
»Sie werden verlegt«, sagte er, »und das ist kein Grund, sich hier so aufzuführen.«
Der sanfte Tonfall gab mir den Rest. »Und wohin werde ich verlegt ?«, kreischte ich.
Lenk blickte mir fest in die Augen. Es war totenstill im Raum, nur mein Herz schlug so laut, dass es in meinen
Weitere Kostenlose Bücher