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Zwei Frauen: Roman (German Edition)

Zwei Frauen: Roman (German Edition)

Titel: Zwei Frauen: Roman (German Edition) Kostenlos Bücher Online Lesen
Autoren: Diana Beate Hellmann
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Gewissheit des Schmerzes pochte nur in meinem Kopf, meine Eingeweide ahnten ihn nicht einmal. Auch das trug zu meiner Erheiterung bei. Ich lallte wie ein Kleinkind, und wenn ich zu meinen Peinigern hinüberblickte, fragte ich mich, was erwachsene Männer bloß dazu bringen mochte, im Innenleben junger Mädchen herumzuschnüffeln. Jedes Mal, wenn ich das dachte, lachte ich mich halb tot, und die Erschütterungen, die das in meinem Körper verursachte, irritierten die Männer.
    »Können Sie uns hören?«, fragten sie. Ich lachte nur noch lauter.
    »Liegen Sie bitte still, Frau Martin!« – Ich streckte die Zunge weit heraus und versuchte, über meine Nasenspitze zu lecken.
    Als es vorüber war, trug man mich in den angrenzenden Raum und legte mich auf einen weichen Untergrund. Ich wurde mit Daunen bedeckt, und jemand erklärte, ich sollte erst einmal ausschlafen. Dann ließ man mich allein. Der Raum war winzig. Mein Bett stand an der Wand, und unmittelbar daneben stand ein Stuhl. Auf dem Stuhl lagen meine Schuhe, schwarze Pumps mit zarten Riemchen und hohem Absatz. Als ich sie erblickte, schwand meine Müdigkeit. Ich wollte sie anziehen und hinausgehen und frische Luft atmen. So hangelte ich mich langsam aus dem Bett. Meine Glieder waren schlaff. Nur mühsam gelang es mir, die Schuhe anzuziehen, an der Wand entlang zur Tür zu gleiten, sie zu öffnen.
    Der Korridor, der sich vor mir auftat, war endlos lang und von überstrahlender Helligkeit. Weit und breit war keine Menschenseele zu sehen, und so glitt ich die Wand entlang, fasziniert vom Klicken meiner Absätze und dem rhythmischen Wogen des Bodens zu meinen Füßen. Die Luft, die mich umgab, war schwer wie Blei, und mit jedem Atemzug musste ich sie durchbrechen, als wäre sie die Schallgrenze meiner Kraft.
    Endlich erblickte ich ganz in meiner Nähe einen Raum, der direkt ins Freie führte. Zwei Männer in Bademänteln rauchten Zigaretten, und als sie mich sahen, erstarrten sie förmlich. Ich lächelte.
    »Kann ich eine Zigarette haben?«, fragte ich, und meine Worte klangen wohl fremd, weil ich auch die Bewegungen meiner Zunge nicht mehr beherrschen konnte. Die Männer blieben weiterhin starr. Erst nach einem atemlosen Augenblick reichte mir einer der beiden das Paket mit seinen Zigaretten und Feuer.
    »Danke!«, hauchte ich. Dann strich ich mir im Zeitlupentempo die Haare aus dem Gesicht, inhalierte voller Inbrunst Nikotin und Kondensat und blickte mit noch größerer Inbrunst hinaus in die Natur.
    »Aber …«
    »Aber Sie können doch da nicht …«
    »Sie können da doch nicht rausgehen …!«
    Meine Gönner schnatterten aufgeregt um die Wette. »Das geht doch nicht!«
    Ich ignorierte ihre Einwände. Draußen war es warm. Die Sonne schien, und die Vögel zwitscherten in den saftig grünen Zweigen der Bäume. Auf weichen Knien bahnte ich mir meinen Weg durch den Park, ließ mich entspannt auf einer Bank nieder und schloss selig die Augen.
    Dort fing man mich eine knappe Viertelstunde später wieder ein. Meine Zigarettenfreunde hatten die gesamte Belegschaft alarmiert, und man war sofort ausgeschwärmt, um mich zu suchen. Es war nämlich keineswegs warm. Vielmehr lag die Temperatur in unmittelbarer Nähe des Gefrierpunktes. Es schien auch keine Sonne, nein, es goss in Strömen. Ich saß auch nicht auf einer Bank, sondern mitten auf einer Wiese, die stellenweise noch von hartnäckigen Schneeresten bedeckt war. Was jedoch das Schlimmste war: Ich hatte nichts an. Ich war splitterfasernackt, trug lediglich meine Schuhe, ansonsten nicht einmal Watte im Ohr.
    Schwester Berta fand das empörend. Wie die Vorsitzende eines Vereins zum Schutze der Moral stand sie vor meinem Bett und lamentierte dem eher erheiterten Oberarzt die Ohren voll.
    »So etwas ist noch nie vorgekommen, Herr Doktor.«
    »Hauptsache, Frau Martin hat sich keine Lungenentzündung geholt.«
    »Ja, aber der Skandal, Herr Doktor!«
    »Das Präparat war überdosiert, wie wir festgestellt haben, das ist ein Skandal, da haben Sie –«
    »Herr Oberarzt!!!«
    Der dicken Berta standen Empörung und Enttäuschung im Gesicht geschrieben. Mir wollte sie die Schuld an dem Vorfall geben, mir und meiner lasterhaften Lebensart, die ja ihres Erachtens bereits an dem ausgeschnittenen Angorapullover und dem Make-up zu erkennen gewesen war.
    Dass der Oberarzt anderer Ansicht war, ließ sie fast verzweifeln.
    Frau Klein und ich erheiterten uns nicht wenig über die Art, wie Schwester Berta getadelt worden war. Als wir

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