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Zwei Frauen: Roman (German Edition)

Zwei Frauen: Roman (German Edition)

Titel: Zwei Frauen: Roman (German Edition) Kostenlos Bücher Online Lesen
Autoren: Diana Beate Hellmann
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Ohren dröhnte.
    »Wohin?«, wiederholte ich leise.
    »In die Strahlenklinik!«
    So schnell er das ausstieß, so schnell war er auch verschwunden. Es dauerte nur Sekunden, und wir waren allein, Frau Klein und ich und ein Wort: Strahlenklinik!
    »Was soll ich denn da?«, flüsterte ich fassungslos. »Was wird da überhaupt gemacht?«
    »Ich weiß nicht«, antwortete Frau Klein.
    »Ich …«
    »Was ist das für ein fürchterlicher Mensch?«
    »Er hat mich entlassen.«
    »Seien Sie doch froh!«
    »Ich habe aber Angst …«
    Wir sahen einander an und versuchten zu verstehen, aber es gelang uns nicht. Das war gut so. Hätten wir geahnt, was vor uns lag, wäre vielleicht vieles anders gekommen. Die Zeiten, da wir über Kontrasteinläufe, Endoskopien und Stations-Eunuchen gelacht hatten, waren endgültig vorüber.
    Frau Klein verließ die Klinik. Sie starb wenige Monate später im Kreis ihrer Familie an Leberkrebs. Ihr war nicht mehr zu helfen gewesen. Ich hingegen wurde verlegt, und damit ging ich den ersten Schritt eines Weges, der zum längsten und beschwerlichsten meines ganzen Lebens werden sollte.

KAPITEL 8
    Die Strahlenklinik war ein unübersehbares Bollwerk moderner Medizin. Ihre sieben Etagen ragten dräuend in den Himmel. Obwohl der Architekt versucht hatte, seinen anthrazitfarbenen Albtraum mittels karminroter Balken ein wenig aufzulockern, musste ich unwillkürlich an ein mittelalterliches Verlies denken.
    Dieser Eindruck verstärkte sich mit jedem Schritt, den ich dem Gebäude näher kam: Die Pforte wurde rund um die Uhr bewacht, die Türen funktionierten nur auf Knopfdruck.
    S 1 war auf den ersten Blick eine Station wie jede andere: Schwingtür mit Milchglasscheiben, langer Gang, gebohnerter Linoleumboden, das kalte Licht starker Neonröhren und der Geruch von Desinfektionsmitteln. Nur die Türen waren dicker als anderswo. Das fiel mir sofort auf, auch wenn es die junge Krankenschwester, die mich abgeholt hatte, nicht zugeben wollte.
    Sie hieß Gertrud, war Ende zwanzig und schön wie ein Bild, mit langen schwarzen Haaren, tiefbraunen, mandelförmigen Augen und einem beneidenswert proportionierten Körper.
    Sie nannte mich Eva und erklärte mir, diese Anrede wäre bei ihnen so üblich, weil alles andere so förmlich klänge. Unentwegt wollte sie mir mein Gepäck abnehmen.
    »Nein«, sagte ich, »das will ich nicht, sonst komme ich mir so krank vor.«
    Sie lächelte nur. Dann gingen wir Seite an Seite den langen Gang von S 1 entlang und blieben schließlich vor einer Tür mit der Nummer 103 stehen.
    »Da sind wir«, sagte die schöne Gertrud.
    Automatisch wich ich einen Schritt zurück. Aus dem Zimmer drang ohrenbetäubender Lärm. Udo Jürgens sang »Sag ihr, ich lass sie grüßen«, in einer Lautstärke, die selbst den hinterletzten Einwohner Neuguineas veranlassen musste, eine entsprechende Flaschenpost loszuschicken.
    »Wer hört denn so was?«, fragte ich entsetzt. Gertrud schmunzelte. »Möchten Sie vorgehen?«
    Der Korridor war winzig, und da die Türen des eingebauten Wandschranks offen standen, musste ich ausweichen und stand damit vor dem Klotopf des angrenzenden Raums. Zum Ausgleich war das Zimmer selbst groß und hell. Es hatte jedoch eine eigentümliche Atmosphäre, denn abgesehen von den beiden rechts und links an der Wand stehenden Betten mit den typischen Nachttischen erinnerte nichts in dem Raum an ein Krankenzimmer. Da waren meterlange Bücherregale, Bilder, eine Uhr, ein Kalender, da standen ein Clubtisch mit vier Stühlen, ein Fernsehapparat, ein Radio … und jene Stereoanlage, aus der Udo Jürgens seinen Grußwunsch schmetterte. Und dann war da die Hörerin.
    Sie saß aufrecht in ihrem Bett, war klapperdürr, und um den ausgezehrten Schädel war ein Schal aus frottiertem Stoff gewunden. Die Gesichtshaut war aschfahl und schlaff, riesengroße graue Augen lagen in tiefen braunen Höhlen, die Lippen und das Zahnfleisch waren aufgeplatzt und dunkelrot verfärbt. Sie war von unschätzbarem Alter, vielleicht zehn, vielleicht hundert Jahre alt. Als sie Gertrud und mich hereinkommen sah, warf sie hastig ihre Zigarette in ein mit Wasser gefülltes Glas und ließ es im Nachttisch verschwinden. Dann fächerte sie mit den spindeldürren Ärmchen Frischluft und tat so, als hätte niemand etwas bemerkt – nicht einmal sie selbst.
    »Claudia!«, stöhnte Schwester Gertrud, während sie Herrn Jürgens zum Schweigen brachte. »Hab’ ich Sie schon wieder erwischt. Sie wissen doch, dass Sie im Zimmer

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