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Zwei Frauen: Roman (German Edition)

Zwei Frauen: Roman (German Edition)

Titel: Zwei Frauen: Roman (German Edition) Kostenlos Bücher Online Lesen
Autoren: Diana Beate Hellmann
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son Gesicht?«, fragte sie. »Vielleicht heitert dich dat hier ja auf!«
    Dann hob sie die Bettdecke und ihr Nachthemd und zeigte mir mit fast masochistischem Stolz ihren Bauch. Der war völlig ausgemergelt und von Narben übersät. Auf seiner linken Seite war ein Loch, und vor diesem Loch klemmte ein Beutel, der eine braune Flüssigkeit enthielt.
    »Was ist das denn?«
    »Mein Arschloch!«, gab Claudia erstaunt zur Antwort. »Sach bloß, so wat kennse nich?«
    »Nein!«
    »Nennt man Anus praeter.«
    »Ja?«
    »Pass auf!«
    Sie erklärte mir die Installation, als handelte es sich um eine wertvolle Antiquitätensammlung, und die Worte, die sie dabei benutzte, waren so gewählt, dass sie sich tief in meine Erinnerung gruben:
    »Dat hier is Kacke, und die läuft hier in den Beutel. Und wenn ich furzen muss, dann knallt dat wegen den Plastik.«
    »Und warum hast du das?«
    »Ach, dat is sonne Story!«
    Dann erzählte sie mir, dass man vor gut zwei Jahren an ihrem linken Eierstock eine Geschwulst entdeckt hatte. Die war bösartig und wurde nebst sämtlichen Unterleibsorganen entfernt. Bei der Operation verletzte man jedoch den Darm. Ob es sich dabei um einen ärztlichen Kunstfehler gehandelt hatte, wusste sie nicht. Sie war aber auch nicht daran interessiert, es in Erfahrung zu bringen. Sie hatte nun mal diesen künstlichen Darmausgang, und damit hatte es sich für sie.
    »Ekelse dich etwa?«
    »Nein!«, log ich. »Aber … aber kann man denn daran … ich meine … kann man das denn nicht …?«
    »Wechmachen?«, unterbrach sie mein Gestammel.
    »… Ja!«
    Claudia winkte heftig ab. »Dat ham se allet scho ma probiert!«, erklärte sie mir dann. »Nur geschafft ham se dat nich, die Ochsen hier! Ham allet aufgeschlitzt und wieder proper zurückgelecht, und dann, dann ham se mir dat Arschloch nich wieder aufgetrennt. Dat ham se zugenäht gelassen, und dann gab dat ne Vergiftung … na ja, und dann hatt ich ebent wieder den Kackbeutel.«
    Ich glaubte ihr kein Wort. Später musste ich dann erfahren, dass sie die reine Wahrheit gesagt hatte. Jetzt aber saß ich nur da und sah ihr kopfschüttelnd dabei zu, wie sie kontrollierte, »wie voll der Beutel wa«.
    »Ekelse dich wirklich nicht?«, fragte sie mich noch einmal.
    »Nein!«, log ich erneut, worauf sie nur so strahlte.
    »Man nennt mich nämlich auch dat stinkende Känguruh!«
    Da musste ich laut lachen. Es war kein natürliches Lachen, aber es war laut, und es befreite mich von meinem Abscheu. Noch nie zuvor war ich einem ähnlichen Ungetüm wie dieser Claudia Jacoby begegnet, und wenn ich an meinem Entsetzen nicht ersticken wollte, musste ich es mir von der Seele lachen.
    Claudia selbst ahnte nichts von meinen Beweggründen, deshalb lobte sie meinen Humor.
    »So wat brauchse hier«, sagte sie, »wenn de nämlich de anderen hier kennenlerns, kommse aus dat Lachen ga nich mehr raus.«
    »Wieso?«
    »Na, wat meinse, wie die ers ma aussehn!«
    »Was haben die denn?«
    Claudia stutzte. »Auf diese Station liegen Krebskranke«, sagte sie dann, »ausschließlich!«
    Mir wurde schwarz vor Augen. – Krebs! – Auf dieser Station! – Und ich! – Auf dieser Station!
    »Ach was«, hörte ich mich abfällig sagen, »erzähl mir doch nicht so was!«
    »Wieso nich?«
    »Weil das nicht stimmen kann!«
    »Wieso nich?«
    »Weil ich …« Ich stockte.
    Claudia lächelte. »Wat hasse denn?«, fragte sie.
    »Knoten … in den Leistenbeugen …«
    Das Ungetüm spitzte die aufgeplatzten Lippen und machte ein ungemein intelligentes Gesicht. »Is wahrscheinlich en Hodgkin …«, krächzte sie, »… oder, na … et könnten auch Sarkome sein.«
    Von diesen Fremdworten hatte ich genug. »Und was soll das sein?«, fragte ich wütend.
    »Krebs!«
    Wieder dieses Wort! Es hämmerte in meinem Schädel und ließ meinen ganzen Körper erbeben.
    »Das ist doch absurd!«, tobte ich. »Der Arzt, der mich hergeschickt hat, meinte, es wäre eine Stoffwechselstörung und ich …«
    Claudia brach in schallendes Gelächter aus. »Wat fürn Stoff is denn gestört?«
    Mein Entsetzen war grenzenlos. Ich spürte ganz deutlich, wie mir dieses hässliche Ding mit jedem seiner Worte die Kraft aus den Adern sog.
    »Dat mit die gestörten Stoffe sagen die doch immer«, meinte sie dann auch noch.
    »Und was soll das heißen?«
    »Dattu Krebs has, sons lächse nich hier!«
    »Das ist nicht wahrt!!«
    »Frach doch den Arzt!«
    »Darauf kannst du dich verlassen!«
    Außer mir vor Zorn und Panik rannte ich auf den Gang

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