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Zwei Frauen: Roman (German Edition)

Zwei Frauen: Roman (German Edition)

Titel: Zwei Frauen: Roman (German Edition) Kostenlos Bücher Online Lesen
Autoren: Diana Beate Hellmann
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schrillem Organ. »Ich bin Schwester Helma, die Stationsschwester!«
    Sie grabschte nach meiner Hand und schüttelte sie auf das Kräftigste. Dass ich mich im Halbschlaf befand, störte sie überhaupt nicht.
    »Haben Sie gut geschlafen?«, erkundigte sie sich.
    »Danke!«
    »Ärgert die Claudia Sie auch nicht?«
    »Nein!«
    »Haben Sie abgeführt?«
    »… Ja …!«
    Die Frage irritierte mich kolossal, und erstmals war mir Claudias Lachen willkommen.
    »Dat fracht unser Helma jeden Morgen«, kicherte sie, »und wenn et Scheiße rechnet, die fracht nach en Verbleib vonne Exkremente.« Dabei kroch sie mit kohlenpöttischer Eleganz aus ihrem Bettwerk, und das sah aus, als hätte sie die Nacht im Inneren der Matratze zugebracht. Helma machte derweil ein beleidigtes Gesicht. »Das ist eben Vorschrift!«, belehrte sie Claudia.
    »Jau, jau«, grunzte die, »Hauptsache Vorschrift, und wenn de auf de Augenbraun latschs!«
    »Ich verbitte mir diesen Ton!«
    »Dat versuch!«
    Zwischen Claudia und Schwester Helma entbrannte ein Wortgefecht, das mir überdeutlich machte, wie verfeindet die beiden Damen waren.
    Das machte mir das Monstrum vorübergehend richtig sympathisch, denn mit Menschen wie Helma konnte man meines Erachtens nur verfeindet sein. Sie war eine typische deutsche Durchschnittsfrau, achtundzwanzig Jahre alt, einen Hauch zu klein für ihr Gewicht, mit naturblondem, borstenkurzem Haar, kernseifenreinem Gesicht und blauen Augen. Solche Frauen taten nur, was man ihnen ausdrücklich auftrug, und solche Frauen gingen einmal pro Woche zum Kegeln und fuhren einmal im Jahr für drei Wochen nach Mallorca, mit denen, die es »möglich machten«.
    »Genau!«, ließ Claudia mich später wissen. »Genau sonne Schnepfe is unser Helma. Frach die nach de Uhrzeit, da musse ers Mennert fragen, ob se dat verraten darf. Da flippse manchma aus, echt!«
    So wurde die gute Schwester Helma für Claudia und mich zum Lieblingsthema. Sie erzählte mir, was sie mit dieser Frau schon alles erlebt hatte, und ich musste an manchen Stellen trotz der haarigen Ausdrucksweise herzhaft lachen. Claudia nahm das beglückt zur Kenntnis.
    »Machse mich nu doch en bissken leiden?«, fragte sie leise.
    Ich wurde rot. »Du hast doch gesagt, dass du gesunde Leute zum K… … dass du nicht …«
    Claudia lachte. »Kannse so wat echt nich sagen? Scheiße und so? Kannse dat nich?«
    »Ich will nicht«, erwiderte ich.
    »Na, wenn de nich wills!«
    Sie gähnte und legte eine Schallplatte auf.
    »Dann kommt der große Abschied von der Zeit,
    Es gibt kein Wiedersehn,
    War sie auch noch so schön,
    Dann kommt der große Abschied, sei bereit,
    Denn alles wird vergehn,
    Die Welt, die muss sich drehn.«
    Udo Jürgens! Claudia lauschte so gebannt, dass es mich rührte.
    »Hörst du so was gern?«, fragte ich sie.
    »Wat? Den Udo?«
    »Ja.«
    Sie strahlte mich an, und stellte die Musik leise. »Ich hab all den seine Lieder«, sagte sie und wies stolz auf ihre Plattensammlung. »Und ich kenn jeden Text auswendig.«
    »Ah ja?«
    Sie nickte. »Und du?«
    »Och … ich höre lieber Klassik, Tschaikowski, Beethoven, Schubert.«
    Claudia brach fast zusammen. »Aber die sind doch alle schon tot! – Nee, ich steh mehr auf dat Leben. Wat der Udo so singt, is allet weise.«
    »Sicher«, gab ich zu, »Lebensweisheit im Schmalspur-Format!«
    Ihre Züge verfinsterten sich. »Machse den Udo etwa nich leiden?«
    »Schon …«, wich ich aus, »… nur, was er singt, klingt immer so schmalzig.«
    »Ach wat«, wischte Claudia diesen Einwand weg, »de Wirklichkeit is viel schmalziger, da musse dich hier bloß ma umgucken. Wenn se dat int Fernsehn bringen täten, würdese abdrehn und schrein, dat dat Kitsch war.«
    Dann erzählte sie mir von ihrer Leukämie. Sie war sechzehn gewesen, als sie die bekam; seitdem waren zehn Jahre vergangen, und sie hatte gerade ihre vierte Remission erreicht.
    »Dat is, wenn de Seuche ma vorübergehend zu en Stillstand kommt.«
    Mehrere Therapien lagen hinter ihr, zahlreiche Operationen, unendliche Qualen, die vielen Lumbalpunktionen.
    »Dass man so was aushalten kann!«, sagte ich.
    »Ich kann. Mein Vater konnt bloß nich. Der konnt dat nich mehr mit ansehen. Da is er annen Herzinfarkt eingegangen, vor drei Jahren.«
    »Das tut mir Leid.«
    »Wieso? Kanntese ihm?«
    Sie war ganz ernst, als sie mich das fragte, und ich schämte mich, so eine Floskel benutzt zu haben. Als ich mich dafür entschuldigte, lächelte Claudia.
    »Macht ja nix!«, sagte sie. »Wirs

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