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Zwei Frauen: Roman (German Edition)

Zwei Frauen: Roman (German Edition)

Titel: Zwei Frauen: Roman (German Edition) Kostenlos Bücher Online Lesen
Autoren: Diana Beate Hellmann
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von dem entwürdigenden Schauspiel zu wenden. Es hielt mich in seinem Bann, und dabei war mein Kopf ganz leer: Ich fühlte nichts, sah nur hin.
    Als es schon längst zu spät war, stürzte Helma endlich herein, den frischen Beutel in der Hand wie die Nationalflagge.
    »Ist ja gut!«, tönte sie lachend.
    »Nix is gut!«, brüllte Claudia, und mit all dem verzweifelten Zorn, der sich in ihr aufgestaut hatte, schleuderte sie Helma die Ergüsse ihres Innenlebens ins Gesicht. Blitzschnell ging das, und als es geschehen war, schien die Welt für einen Atemzug stillzustehen. Bleierne Schwere erfüllte den Raum, und der warme Gestank drohte, uns zu ersticken. Claudia rührte sich nicht. In der Haltung, in der sie ihr Werk vollbracht hatte, saß sie da, die kotbeschmutzten Hände weit von sich gestreckt. Auch Helma rührte sich nicht. Vom Ekel gelähmt, stand sie da, und die Exkremente tropften auf ihre Schultern, rannen über ihren blütenweißen Kittel. Ich sah sie an, ich sah Claudia an, und im gleichen Moment brach ich in ein unwirklich klingendes Gelächter aus. Ich lachte, wie ich noch nie zuvor in meinem Leben gelacht hatte, und noch während ich es tat, wunderte ich mich, über was für schauerliche Dinge ich mittlerweile lachen konnte.
    Zwei Tage später erfuhr ich, dass Schwester Helma sich den Fuß verstaucht hatte. Sie war im Badezimmer gestürzt, und die Ärzte hatten schon einen Bruch befürchtet. Claudia hatte ihr einfach das Bein weggezogen. »Dat Bein war mir ebent im Wech!«, sagte sie und brüllte vor Lachen. Ich machte keinen Hehl draus, wie sehr mich die ganze Affäre erheiterte.
    Daniela Römer hatte von Anfang an gespürt, dass sich große Veränderungen in mir vollzogen. Im Gegensatz zu allen anderen hatte sie jedoch nie ein Wort darüber verloren. Weder meine Aufmachung noch mein Verhalten hatten sie zu einem Kommentar verleiten können. Sie nahm mich eben, wie ich war … dachte ich.
    Nach Claudias Attacke auf Schwester Helma änderte sich das schlagartig. Ohne Vorwarnung baute sich Daniela vor mir auf und sagte mir frech ins Gesicht, sie hielte das, was sich zwischen Helma und Claudia abgespielt hätte, für eine Art von Parabel.
    »Der Krebspatient ist eben wie die Krebszelle, er zerstört sein gesundes Umfeld.«
    Diesen Satz musste ich erst einmal verdauen. Ich schnappte nach Luft, ich keuchte, ich war empört. Vieles hatte ich mir im Laufe meines Lebens bieten lassen. Als gut gewachsener Stangenspargel war ich bezeichnet worden, als Automat. Mit einer Krebszelle verglichen zu werden ging jedoch zu weit, und so beschwerte ich mich lautstark über diese ungeheuerliche Bemerkung.
    »Wo ich mit dieser ganzen Geschichte doch nicht mal etwas zu tun habe!«
    Daniela lachte laut auf. »Aber Eva«, sagte sie, »Gelegenheit macht Diebe, das weißt du doch. Du kannst mir nicht erzählen, dass du nicht das Gleiche getan hättest, wenn du an Claudias Stelle gewesen wärst.«
    Ich knirschte mit den Zähnen. »Richtig!«, gab ich dann zu. »Aber ich hätte nicht versucht, der Helma die Knochen zu brechen.«
    »Sondern?«
    »Ich hätte sie ertränkt.«
    Daniela verzog keine Miene. »Aha«, meinte sie nur, »und warum hättest du das getan? Hast du etwas gegen Schwester Helma?«
    »Aber nein«, erwiderte ich überfreundlich, »gegen Helma habe ich ebenso wenig wie gegen den Rest der Welt.«
    »Und was heißt das?«
    »Dass ich mir täglich wünsche, es gäbe Krieg, weil ich mir dann nämlich ein Maschinengewehr besorgen würde und päng, päng, päng, päng, päng, päng, päng …« Ich saß da wie eine Irre, das imaginäre Schießgewehr im Arm, den Finger am imaginären Abzug, ein Auge zwecks größerer Zielsicherheit fest geschlossen. Daniela registrierte es, ging aber nicht darauf ein.
    »Du könntest auf Menschen schießen?«, fragte sie nur.
    »Natürlich«, antwortete ich spontan, »ich könnte auf jeden schießen, den ich kenne. Fremde täten mir zu Leid. Aber die, die ich kenne …«
    »Was ist mit denen?«
    »Denen ginge es dann endlich genauso dreckig wie mir!«
    »Und das wünschst du dir?«
    »Ja. Sie sollen sich nachts in ihren Betten wälzen und nicht in den Schlaf kommen, und wenn sie morgens aufwachen, sollen sie sich wünschen, es wäre schon wieder Abend.«
    Ich sagte das mit so viel Überzeugungskraft, dass ich sogar selbst glaubte, es auch so zu meinen. Da war eine Wut in mir, die mich einerseits zwar maßlos erschreckte, die andererseits aber unbedingt herausmusste. Viel zu lange hatte ich

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