Zwei Geschichten von der See
verschlossen hatte. Aber auf dieser Reise …
Sie erbat sich Bedenkzeit. Noch vor ihrer Ankunft in Belém würde sie ihm antworten, sie war noch ganz verwirrt und verängstigt. Außerdem müsste sie die Zustimmung ihres Bruders in Pará erwirken. Und natürlich die Jasmins, setzte sie lächelnd hinzu …
Das Schiff schwamm in der Mondnacht dahin, Himmel und Meer waren in Silber und Gold getaucht. Auf Deck an der Reling tauschten der Kommandant und Clotilde Liebesschwüre. Sie lachten grundlos, seufzten, sprachen unzusammenhängende Worte, stahlen einander Küsse, drückten sich die Hände. Bis sie Geräusche von der Treppe her hörten und im Dunkel des Rettungsbootes Schutz suchten. Ein zweites Pärchen erschien auf Deck. Erst sahen sie den Umriss Dr. Firmino Morais’, des paraensischen Anwalts. Dieser spähte umher, erklomm vollends das Deck, machte ein Zeichen und rief leise. Dann tauchte mit ausgestreckten Händen Moema, die Mestizin, auf, und da, auf der Stelle, umschlangen und küssten sie sich mit der Wut und Hast von Verdammten.
»Schamlose …«, murmelte Clotilde. »Er ist verheiratet …«
»Die Liebe«, murmelte der Kommandant, »erkennt keine Konventionen an, die Liebe ist ein Sturm.«
Er nahm ihre Hand, sie gingen auf der anderen Seite hinunter und gesellten sich zu den Passagieren im Salon. Clotilde hatte ihn gebeten, ihr im Mondschein gegebenes Versprechen geheim zu halten. Sie wollte ohne Gäste, ohne Hochzeitskarten, ohne Feierlichkeit heiraten, nur sie, Vasco, ihr Bruder und ihre Schwägerin. Und wenn es wirklich Wahrheit werden sollte, wollten sie bald heiraten, sie wollte keine Verlobung, die sich lange hinauszog …
»Nur die Zeit, um die Formalitäten zu erfüllen …«
Er wollte mit ihr, mit der auf See gefundenen Frau, nach Periperi heimkehren, mit der, auf die er so lange gewartet hatte, auf den Brücken seiner Schiffe, der erleuchteten Passagierdampfer, der schwarzen Frachter, auf fernen einsamen Seewegen. Sie war in einem Mondstreifen auf ihn zugekommen und hatte seine Einsamkeit für immer durchbrochen, seinem langen Warten ein Ende bereitet.
Ein recht törichtes und überglückliches Kapitel mit dem Anrecht, Maschinen- und Laderäume zu besuchen und ein SOS zu telegraphieren
Der Kommandant war glücklich. Die
Große Baqueana
war glücklich. Die beiden lachten in den Winkeln des Schiffes, sie tauschten zärtliche Blicke und ein schüchternes Lächeln, sie drückten sich verstohlen die Hände, flüsterten einander Liebesworte zu, der eine wie der andere lebte immer wieder in gestohlenen Küssen und kühnen Plänen auf.
Sie war romantisch und hatte viel gelitten. Das Leiden hatte sie anspruchsvoll und misstrauisch gemacht, ihre schwärmerische Natur liebte das Geheimnis. Aus diesem Grunde hatte sie dem Kommandanten nicht einmal ihren vollen Namen genannt, sie war für ihn nur Clotilde. Auch keine Einzelheiten über ihre Familie, außer dass in Belém ein verheirateter Bruder mit zwei Kindern und in Rio eine mit einem Ingenieur verheiratete Schwester mit fünf Kindern wohnten. Außerdem hatte sie ihm verboten, die Fahrgäste aus Pará über sie auszufragen, sie wollte seine Liebe auf die Probe stellen.
»Ich werde dir am Kai in Belém meinen Bruder vorstellen. Er holt mich ab.«
»Aber Clô…«
Vor mehr als zwanzig Jahren hatte er eine Clô kennengelernt, eine milchweiße Blondine mit glattem haarlosem Körper, er wusste nur nicht mehr, ob in Island, zwischen Eisbergen und Fjorden, oder in einem Bordell in Bahia, in Carols oder Sabinas Frauenhaus. Zwischen jener Clô des Eises und der Geysire und der jungfräulichen Clô gab es etwas Gemeinsames, vielleicht die vollen Brüste, vielleicht ihre kindliche Art, zu reden und sich zu gebärden. Als er Clotilde Clô nannte, konnte er die Erinnerung an jene vergangenen Nächte und ihre unvergessliche weiße Haut nicht verdrängen.
»Vergiss nicht, dass ich nicht mit dir an Land gehen kann, mein Schatz. Ich werde noch bleiben und Papiere unterzeichnen müssen. Es ist der letzte Hafen, das Ende der Reise, ich werde vermutlich eine Weile zurückgehalten sein …«
Sie betete Heimlichkeiten an:
»Bei der Landung werde ich dir ein Stückchen Papier mit meinem vollen Namen und meiner Adresse zustecken. Ich habe es schon geschrieben, hier ist es …« Damit deutete sie auf ihren Busenausschnitt, sie bewahrte somit in der Wärme ihrer Brust den Zettel auf, der den Schlüssel zur Türe ihrer Familie, zum neuen Heim des Kommandanten,
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