Zwei Geschichten von der See
»Da, damit ihr euch was zu essen holen könnt. Aber lasst ihn mir nicht allein. Keine Minute, ja?!«
»Gehen Sie ruhig, wir leisten ihm Gesellschaft.«
Pastinha wurde wach, als ihm der Schnapsgeruch in die Nase drang. Bevor sie anfingen zu trinken, hatten sich Sperling und Flinkfuß Zigaretten angezündet; der Gefreite Martim eine jener schwarzen, starken Zigarren, die es für fünfzig Centavos zu kaufen gibt und die nur wahre Raucher zu schätzen wissen. Der mächtige Qualm war an der Nase des Schwarzen vorbeigezogen, doch nicht mal das hatte ihn aus dem Schlaf geholt. Aber kaum war die Flasche geöffnet (die umstrittene erste Flasche, die der Familie zufolge Martim mitgebracht hatte, versteckt unter dem Hemd), da schlug der Schwarze die Augen auf und verlangte nach einem Schluck.
Die ersten Schlucke weckten in den vier Freunden einen ausgesprochen kritischen Geist. Quincas’ hochnäsige Familie hatte sich als kleinlich und geizig erwiesen. In allem waren sie halbherzig vorgegangen. Wo waren die Stühle, auf die sich die Trauergäste setzen könnten? Wo blieben das Essen und die Getränke, die selbst bei den Totenwachen der Armen nicht fehlen durften? Der Gefreite Martim hatte so manchen aufgebahrten Toten begleitet, niemals war es dabei so öde zugegangen. Noch bei den ärmlichsten dieser Anlässe hatte man wenigstens Kaffee serviert und ein Schlückchen Schnaps. Quincas verdiente es nicht, so behandelt zu werden. Wie konnte man nur so überheblich sein und den Toten in die missliche Lage bringen, seinen Freunden nichts anbieten zu können? Sperling und Flinkfuß waren losgezogen, um Sitzgelegenheiten und Proviant zu besorgen. Der Gefreite Martim fand, dass eine Totenwache mit einem Mindestmaß an Anstand vonstattengehen sollte, wenigstens das. Von seinem Stuhl aus erteilte er Anweisungen: Kisten und Flaschen her. Der Schwarze Pastinha hatte auf dem Ölkanister Platz genommen, er nickte zustimmend mit dem Kopf.
Man musste zugeben, was den Leichnam selbst betraf, hatte die Familie sich ordentlich verhalten. Neuer Anzug, neue Schuhe, gut sah er aus. Und schöne Kerzen, solche wie in der Kirche. Die Blumen hatten sie allerdings vergessen, wo hatte man das schon gesehen, eine Leiche ohne Blumen?
»Er sieht aus wie ein richtiger Herr«, lobte der Schwarze Pastinha. »Ein super Verstorbener!«
Quincas quittierte das Lob mit einem Lächeln, der Schwarze lächelte zurück:
»Väterchen …«, sagte er gerührt und stieß ihn mit dem Finger in die Rippen wie sonst immer, wenn Quincas einen guten Witz zum Besten gab.
Sperling und Flinkfuß kamen zurück, mit Kisten, einem Stück Salami und einigen vollen Flaschen. Sie setzten sich im Halbkreis um den Toten, und dann schlug Sperling vor, gemeinsam das Vaterunser zu beten. Er hatte es mit einer erstaunlichen Gedächtnisanstrengung geschafft, sich an so gut wie das ganze Gebet zu erinnern. Die anderen willigten ohne große Überzeugung ein. Ihnen schien das keine leichte Aufgabe. Der Schwarze Pastinha kannte verschiedene Rhythmen Oxums und Oxalás, weiter reichte seine religiöse Bildung nicht. Flinkfuß hatte seit dreißig Jahren nicht mehr gebetet. Der Gefreite Martim sah Gebete und Kirchgänge als Zeichen von Schwäche, kaum vereinbar mit dem Leben eines Soldaten. Aber sie probierten es doch, Sperling voraus, die Übrigen, so gut sie konnten, hinterdrein. Schließlich wurde es Sperling (der niedergekniet und reuig den Kopf gesenkt hatte) zu blöd:
»Ihr Rindviecher …«
»Uns fehlt halt die Übung …«, sagte der Gefreite. »Aber das war schon besser als nichts. Den Rest übernimmt morgen der Priester.«
Quincas schien das Gebet nicht zu scheren, er schwitzte offenbar in dem warmen Anzug. Der Schwarze Pastinha musterte den Freund, sie mussten etwas für ihn tun, wenn es schon mit dem Beten nicht so ganz geklappt hatte. Vielleicht ein paar Candomblé-Gesänge? Etwas mussten sie unternehmen. Er wandte sich an Flinkfuß:
»Wo ist eigentlich die Kröte? Gib sie ihm doch mal …«
»Das ist keine Kröte. Das ist ein Frosch. Und was soll er damit?«
»Vielleicht gefällt er ihm.«
Flinkfuß nahm sanft den Frosch und legte ihn auf Quincas’ gefaltete Hände. Der Frosch vollführte einen Sprung, versteckte sich am Boden des Sargs. Wenn das flackernde Licht der Kerzen auf ihn fiel, glitt ein grünes Funkeln über den Leichnam.
Zwischen Sperling und dem Gefreiten Martim entbrannte erneut die Diskussion um Quitéria von den Aufgerissenen Augen. Der Alkohol
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