Zwei Geschichten von der See
hatte und fast dem früheren Chef das Genick gebrochen hätte; denn der, ein Mensch mit dem Herzen auf dem rechten Fleck, war imstande gewesen, die Seele von Seeleuten zu begreifen … Ein Widerling und Schurke, dieser Menendez, der Kommandant hatte noch heute eine Mordswut auf ihn.
Konnte man sich wegen eines plötzlich verschlimmerten Leidens angstschlotternd, vom Tode bedroht, in seiner Kammer verriegeln, ins Bett verkriechen, die Nase unter die Decke stecken, wenn der Kommandant am selben Nachmittag auf dem Stadtplätzchen von dem Schiffbruch erzählte, den er vor der peruanischen Küste während eines Seebebens erlitten hatte? Seegang, hoch wie Gebirge, das Meer zerklüftet in Abgründe, der Himmel so schwarz, wie man nie eine Nacht gesehen hatte.
Am Tage der Beerdigung von Doninha Barata war Vollmond, dessen Silberschimmer sich nachts über Strand und Meer ergoss. Zu anderen Zeiten hätten die Leutchen von Periperi die Schönheit des Himmels gar nicht bemerkt, sie wären in der unerbittlichen Gewissheit des nahenden Todes in ihren Zimmerchen hocken geblieben. Nun aber lud der Kommandant sie ein, in seinem Hause ein Gläschen zu sich zu nehmen und dabei den Himmel durch sein Teleskop zu betrachten.
Vom Teleskop und seinem mannigfachen Gebrauch, und dazu Dorothy im Mondschein auf der Brücke!
Ah! das Teleskop … mit ihm trat man eine abenteuerliche Reise zum Mond und den Sternen an, man durchbrach die Grenzen der Eintönigkeit und der Langeweile. Als wäre Periperi plötzlich, durch Zauberei, nicht mehr das friedliche Vorstädtchen der Leste Brasileira, der Ost-Brasilianischen Eisenbahnlinie, bewohnt von alten Leuten, die auf den Tod warten, sondern eine Zwischenplanetenstation, von der aus tollkühne Piloten zur Eroberung der Sternenräume aufstiegen.
Das große Wohnzimmer mit den aufs Meer gehenden Fenstern, das während der vergangenen Sommerferien der Schauplatz so vieler heiterer Feste gewesen war, bei denen die Cordeiro-Töchter und ihre Freundinnen sich in den Armen ihrer jugendlichen Tänzer gedreht hatten, dieser Salon hatte sein Aussehen vollständig verändert. Verschwunden waren die Blumentöpfe, das Klavier, auf dem Adélia Walzer und Foxtrotts zu Tode gemartert hatte, das Grammophon, die anspruchsvollen Möbel; jetzt glich der Raum eher einer Kommandobrücke, so dass Leminhos, der einen empfindlichen Magen hatte, beim Eintreten fast Brechreiz verspürte. Die an einem Fenster hängende Jakobsleiter führte unmittelbar zum Strand, und Zequinha Curvelo, Anwärter auf den Posten eines Zahlmeisters, spielte mit dem Gedanken, eines Tages über die Leiter das Haus zu betreten und wieder zu verlassen, sobald sein schmerzhafter Rheumatismus ihn weniger plage.
In der Mitte der Wand hingen in reich verzierten Rahmen Patente, die vor dreiundzwanzig Jahren ausgestellt worden waren. Auf dem einen von ihnen war durch die Unterschrift des früheren Hafenkommandanten beglaubigt und bekräftigt, Vasco Moscoso de Aragão habe sich aller zur Erlangung des Titels eines Kapitäns auf großer Fahrt erforderlichen Examina und Prüfungen unterzogen, mithin eines Titels, der ihn berechtigte, jeden Schiffstyp der Handelsmarine in allen Gewässern und Meeren zu befehligen. Vor dreiundzwanzig Jahren, siebenunddreißigjährig und somit verhältnismäßig jung, hatte er das Kapitänspatent erhalten. Noch jung an Jahren, aber bereits ein alter Seemann, denn – wie er erzählte – hatte er seine Laufbahn mit zehn Jahren als Schiffsjunge auf einem langsamen Frachter begonnen und die Sprossen der Leiter eine nach der andern bis zum Ersten Offizier erklommen. Zahllose Male hatte er das Schiff gewechselt, er liebte es, neue Länder zu sehen und neue Meere zu erkunden, er war unter den verschiedenartigsten Flaggen zur See gefahren und hatte sich in Kriegs- und Liebesabenteuer verwickelt. Als er sich im Alter von siebenunddreißig Jahren jedoch für fähig hielt, sich um den Posten eines Kapitäns zu bewerben, war er nach Bahia zurückgekehrt, denn dort, in seiner heimatlichen Hafenverwaltung, wünschte er sein Patent zu erlangen. Er wollte, dass der Ursprungshafen, in dem sein Stand und seine Qualifikation registriert würden, der Hafen von Salvador sei, von dem er als Knabe zu den Abenteuern der Meere ausgezogen war. Auch er hatte seinen Aberglauben, bestätigte er lächelnd. Zequinha widersprach: Aberglauben sei eine noble Haltung, sie offenbare den Patriotismus des Kommandanten, der aus dem Fernen Osten herbeigeeilt sei,
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