Zwei Geschichten von der See
überschüttete sie mit Geschenken. Jüngst hatte er sich für Dorothy begeistert, das uns schon bekannte, in Carols Pension wohnende Mädchen, das von Dr. Roberto Veiga Lima unterhalten wurde, dem reichen Arzt ohne Klinik, der berühmt war für seine Anwandlungen von Eifersucht und Brutalität. Dieser war in gewisser Weise das genaue Gegenteil von Vasco; die Frauen flohen ihn trotz seines vielen Geldes, er prügelte ein Mädchen wegen nichts und wieder nichts, es hieß sogar, seine Sucht, die girrenden Geschöpfe im Bett zu verdreschen, sei ein Laster von ihm. Dorothy hatte er von einer Reise nach Feira Sant’Anna aus dem Innern mitgebracht. Er hielt sie fast wie eine Gefangene und bedrohte sie jeden Augenblick, und Carol bedauerte schon, sie als Hausgast der Pension Monte Carlo aufgenommen zu haben. Sie hatte die Bitte freilich nicht ablehnen können, Roberto war ein Stammgast, gab viel aus, seine Familie war in Bahia hoch angesehen. Trotzdem bereute sie ihr Vorgehen. Die arme Dorothy lebte eingeschlossener als eine Nonne im Kloster, Roberto tauchte zu den unerwartetsten Stunden auf und drohte der Unglücklichen alle Augenblicke mit Schlägen. Abends im Tanzsalon war das förmlich ein Schauspiel, wie er an Dorothy klebte, mit ihr seinen Tango und seinen Maxixe aufs Parkett legte und nur darauf wartete, die beleidigte Leberwurst spielen und einen Zank vom Zaun brechen zu können, sobald ein anderer Kunde auch nur wagte, das unglückliche Geschöpf anzublicken oder anzulächeln. Carol als Vertraute von allen wusste von Vascos Interesse, sie wusste auch, dass Dorothy in ihn verknallt war. Das junge Ding hatte während jener Monate in der Pension viel gelernt, schon war sie nicht mehr die unerfahrene Landpomeranze, die der Arzt in Feira aufgegabelt hatte, jetzt wünschte sie nur noch, von ihrem heftigen Beschützer loszukommen, um in die Arme des sympathischen großzügigen Kaufmanns zu sinken.
Carol und Jerônimo führten den melancholischen Ausdruck von Vascos Augen auf diese verzwickte Leidenschaft zurück. Der Hafenkommandant hielt die Ursache für eine andere: Vasco sei in ein blutjunges Mädchen verliebt, es handle sich um eine Liebschaft mit Heiratsabsichten, mithin ein Wahnsinn, von dem Dorothy ihn bald heilen würde. Der Oberst stimmte weder mit der einen noch mit der anderen Ansicht überein und sah in Vascos Verfassung eine unheilbare Dauerschwermut, die nichts mit all diesen Geschichten zu tun hatte und ganz woanders zu suchen war. Leutnant Lídio Marinho hatte keine vorgefasste Meinung und stellte lediglich eine Tatsache fest: Der blöde Vasco, der alles besaß, um fröhlich zu sein, neigte zu Krisen der Schwermut, vielleicht lag es an der Leber, jedenfalls war es eine Idiotie bei einem Menschen mit so viel Geld. In einer Frage jedoch waren sich alle einig: Es galt, die geheime Ursache jenes Kummers zu entdecken, der an Vasco Moscoso de Aragão nagte.
Vasco hatte angenehme Unterhaltung im Überfluss, er war reich und jung und obendrein kerngesund; warum machte er trotzdem den Eindruck, als verberge er ein geheimes Leid, eine unheilbare Wunde? Die Freunde machten sich Sorgen um ihn, besonders der Fregattenkapitän Georges Dias Nadreau, ein Mensch von natürlichem Frohsinn, der Traurigkeit und Leid als persönliche Beleidigung auffasste.
Vom Hafenkommandanten mit seinen Schwarzen und Mulattinnen, und von Madalena Pontes Mendes, der blasierten höheren Tochter
Der Hafenkommandant Georges Dias Nadreau sah gerne fröhliche Gesichter um sich. Das war seine Welt; verdrießliche Leute konnte er auf den Tod nicht ausstehen, was vielleicht seine Abneigung gegen sein Heim erklärt, wo seine Frau das Abbild der Trauer und Frömmigkeit war. Denn sie gehörte ganz der Kirche, den guten Werken, sie betete Kranke und Leidende, Witwen und Waisen an; in der Karwoche, mit ihrer Palmprozession, mit dem Opfertod des Osterlamms, mit der Fußwaschung der Armen, mit Kerzen und schwarzen Schleiern, mit dem düsteren Laut der Ratschen statt dem fröhlichen Klang der Schellen, war sie in ihrem Element.
Wie hatte der lebenslustige Leutnant zur See denn ein Mädchen von so verschiedener Gemütsart heiraten können? Als er Gracinha im Tanzsaal des Marine-Clubs zu Rio de Janeiro kennen- und lieben lernte, hatte sie nichts von Schwermut an sich, sie war lachlustig und jung und fand die Streiche des jungen Mannes, denen die Admiräle selten eine heitere Seite abzugewinnen vermochten, ausnehmend geistreich. Der Tod ihres zehn Monate
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