Zwei Geschichten von der See
wenn die Freunde verschwinden, die Liebschaften einrosten, wenn das Getränk seinen Geschmack verliert und der Schlaf vor Mitternacht kommt. In seinem neuen Haus knüpfte Vasco Moscoso de Aragão rasch Bekanntschaften mit unbekannten Nachbarn und wurde bald beliebt und geschätzt. Er setzte sich auf einen Stuhl vors Haus auf den Gehsteig, man gesellte sich zu ihm und hörte ihm zu, wenn er seine Meerabenteuer erzählte. Stets hatte er eine hübsche Köchin zur Verfügung, eine geschickt ausgesuchte kleine Mulattin.
Neue Jahre vergingen, die Haare des Kommandanten bleichten, seine Köchinnen waren nicht mehr so hübsch, und seine Einkünfte wurden nicht höher. Auch die Nachbarn nahmen ihn nicht mehr so ernst wie früher, es gab welche, die behaupteten, er habe nie eine Schiffsplanke betreten, der Titel des Kapitäns auf großer Fahrt sei das Ergebnis einer Spielerei aus der Regierungszeit José Marcelinos, sein Ritterdiplom sei mit Gold aufgewogen worden, als er noch in Geld schwamm und das portugiesische Konsulat in Bahia von einem Kaufmann betreut wurde.
Mehr als zwanzig Jahre nach der bekannten Feier im Hafenamt unterbrach ein hergelaufener Kerl, der in derselben Straße eine Benzinpumpe eingerichtet hatte und dem Vasco, stets bereit, Freundschaften zu schließen, von seiner fürchterlichen Reise durch den Persischen Golf in einer Taifunnacht zu erzählen begann – unterbrach dieser Banause den heldenhaften Bericht mit homerischem Gelächter:
»Sie wollen mir wohl einen Bären aufbinden … Den Schmand schmieren Sie man lieber einem Trottel um den Bart … Sie glauben wohl, ich bin nicht im Bilde? Das weiß doch alle Welt und lacht sich hinter Ihrem Rücken ins Fäustchen … Ich hab was anderes zu tun, Seu Comandante, hab keine Zeit, mir Märchen anzuhören …«
»Ein Seemann lässt sich nicht unterkriegen«, aber diesmal fiel es schwer, den Kopf hochzuhalten. Wo war Georges Dias Nadreau? Heute war er sicherlich Admiral. Was war aus Jerônimo und dem Oberst Alencar, dem Leutnant Lídio und dem Leutnant Mário geworden? Und Dorothy, wie schön wäre es, dein zartes Profil, deine unruhigen Augen, dein fieberheißes Gesicht wiederzusehen … Ob Carol noch am Leben war, ob sie die Kinder ihrer Nichten und Neffen aufzog und sich in Garanhuns, ihrem Heimatstädtchen des Staates Pernambuco, als Witwe ausgab? Noch immer ging er zum Hafen, ob die Sonne schien oder ob Regen fiel, um die Schiffe ein- und auslaufen zu sehen, er kannte alle Flaggen.
Weder auf dem Largo Dois de Julho noch in einer anderen Straße von Salvador konnte er sich erhobenen Hauptes blicken lassen. So verkaufte er das Haus zu einem günstigen Preis und erwarb dafür eines in Periperi, einem Vorstädtchen, in das der Großstadtlärm nicht drang; er zog um und nahm die Mulattin Balbina, seine Köchin und Geliebte, mit, die Navigationsinstrumente, das Steuerruder, die Jakobsleiter, Fernglas und Teleskop, seine Pfeifen, seine gerahmten Diplome, seine Vergangenheit auf der Kommandobrücke der Schiffe, auf denen er stürmische Meere durchkreuzt hatte.
Er war ein alter Seemann mit erhobenem Haupt, das weiße Haar winddurchweht, hoch oben auf den Felsen.
Wo der Erzähler, in die Enge getrieben, aber anpassungsfähig, seine Zuflucht zum Schicksal nimmt
Sehen Sie, meine Herren: Da versucht nun ein eifriger Historiker, die Wahrheit aus so verwickelten Annalen herauszufischen, und stößt plötzlich auf widersprüchliche, unvereinbare Versionen, die dem Anschein nach samt und sonders glaubwürdig sind. Woran soll er sich halten? An die beiden dargelegten Lesarten, an die des Kommandanten, eines Mannes von unbestreitbaren Verdiensten, an die Chico Pachecos mit seinen zahlreichen nachweisbaren Einzelheiten? Welche soll er vorziehen und dem gutgläubigen Leser vorlegen? Der genannte Brunnen ist von Hindernissen, von Steuerrudern und verkommenen Freudenmädchen versperrt, wie soll ich auf den Grund des Brunnens gelangen und ihm die nackte, leuchtende Wahrheit entreißen, die mich befähigt, das Andenken eines der beiden Gegner zu preisen und das des anderen der öffentlichen Schande preiszugeben? Wen soll ich in den Himmel heben, wen entlarven? Ehrlich gestanden, bin ich im Augenblick rat- und richtungslos.
Ich habe mich daher an Herrn Dr. Alberto Siqueira, unsere hervorragende, wiewohl umstrittene Leuchte der Jurisprudenz, gewandt. Als Mann, der so viele Jahre im Innern des Landes und in der Hauptstadt Oberlandesgerichtsrat gewesen ist, müsste er
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