Zwei Herzen im Winter
Schotter zum wartenden Boot bewältigte, und fragte sich, wie die hochwohlgeborene Lady ohne fremde Hilfe die Belle Saumur erklimmen wollte.
„Die Möglichkeit besteht“, antwortete Talvas ausweichend, da er nicht die Absicht hatte, ihr anzuvertrauen, dass dies bereits geschehen war. „Aber zunächst ist Eile geboten, wenn wir noch bei Flut auslaufen wollen. Seid Ihr bereit?“
Emmeline zögerte. Die weißen Schaumkronen der Brandung schlugen im ewig gleichen Rhythmus an die Küste, verliehen den grauen Steinen eine Vielfalt glänzender Schattierungen von Braun und Grau, bevor sie sich leise glucksend wieder zurückzogen. Der nasse Landstreifen war bereits erheblich breiter geworden, bald würde die Ebbe wieder einsetzen.
„Kommt, wir müssen los“, drängte Talvas.
Emmeline fingerte nach dem Amulett an ihrem Hals, beschlichen von leisem Unbehagen. „Die Belle Saumur ist zu schwer beladen“, gab sie erneut zu bedenken. „Eine Truhe Kleider hätte der Kaiserin doch genügen können“
Talvas lächelte. „Wegen der paar Kleiderkisten wird das Schiff nicht sinken.“
„Mag sein. Aber ein Sturm könnte das Schiff mit Mann und Maus versenken“, murmelte sie. Verdrießlich stieß sie mit der Stiefelspitze gegen einen Kieselstein, der über die Planken schlitterte und ins Wasser fiel.
„Vertraut meiner Erfahrung als Schiffsführer, Madame“, entgegnete Talvas, und in seinen Augen blitzte ein verwegenes Funkeln. „Ich habe noch kein Schiff verloren.“
Sie musterte ihn scharf, ohne eine Spur von Unsicherheit in seinen markanten Gesichtszügen zu entdecken. Er hielt sich offenbar für unbesiegbar, gerade so, als habe er Macht über die Elemente. „Kühne Worte, Mylord.“ Ein rosiger Hauch überflog ihr zartes Gesicht, ihre Stimme wurde lauter. „Ihr wisst genau, wie gefährlich es um diese Jahreszeit ist, ein Schiff auf hoher See zu segeln. Ich muss diese Reise wagen, genau wie die Kaiserin, aber Ihr … Ihr seid nicht gezwungen, Euch in Gefahr zu begeben. Warum also setzt Ihr Euer Leben aufs Spiel?“
Talvas zuckte mit den Achseln. In seinem Blick glaubte sie etwas wie Schmerz zu erkennen. Eine bittere Erinnerung? Sie war sich nicht sicher. Seine tonlose Antwort versetzte ihr einen Stich.
„Weil ich nichts zu verlieren habe.“
8. KAPITEL
Die Finger um den glatten Handlauf der Bootswand gekrümmt, blickte Emmeline über den milchigweißen Schaum des Kielwassers zurück zum Steg, wo die einsame Gestalt ihrer Mutter stand. Hinter ihr bildeten die strohgedeckten grauen Steinhäuser und Lagerschuppen von Barfleur eine eindrucksvolle Kulisse, von den ersten Strahlen der Morgensonne in goldenen Glanz getaucht. Das im Wind flatternde Gewand schien Emmeline zuzuwinken. Sie hatte den Tag mit ihrer einsilbigen und sorgenvollen Mutter verbracht, zugleich eine Reisetasche mit dem Nötigsten gepackt. Als Guillame im Morgengrauen auf der Schwelle stand, um sie abzuholen, hatte Felice ihre Tochter unter Tränen ans Herz gedrückt, in Gedanken an ihren Ehemann, den die See ihr geraubt hatte.
„Wir liegen gut im Wind, Madame.“ Talvas trat neben Emmeline und legte die Hände an den Handlauf, die dunkelblauen Ärmel seiner Tunika gaben den Blick frei auf gebräunte sehnige Handgelenke. Beim vertrauten Klang seiner melodischen Stimme zuckte sie unmerklich zusammen, anschließend nickte sie stumm. Ein befremdliches Prickeln durchrieselte sie. Mit aufeinandergepressten Lippen hielt sie den Blick auf die schwindende Küste von Barfleur gerichtet. Die Deckplanken schwankten leise unter ihren Ledersohlen, als das Schiff sich durch die schwere See pflügte. Durch die Erfahrungen früherer Zeiten daran gewöhnt, glich sie die Schaukelbewegungen mit breitem Stand ihrer Beine aus.
„Wann seid Ihr zum letzten Mal auf hoher See gewesen, Madame?“, fragte er.
Sie beugte sich über die Bootswand, wollte ihm nicht gestehen, dass sie seit dem Tod ihres Vaters nicht mehr auf einem großen Segelschiff gewesen war. „Es ist eine Weile her“, antwortete sie beklommen, während sie das Deck absuchte, um etwas zu finden, womit sie ihn ablenken konnte. Ihr kritischer Blick heftete sich auf die Windfäden, schmale Leinenstreifen, die in regelmäßigen Abständen an dem großen Rahsegel flatterten. An einer Seite hingen die Bänder schlaff herab.
„Das Segel ist schlecht getrimmt“, meldete sie, triumphierend, einen Fehler entdeckt zu haben, und warf dem Steuermann einen kritischen Blick zu. „Wir verlieren Fahrt.“
„Der
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