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Zwei Herzen im Winter

Zwei Herzen im Winter

Titel: Zwei Herzen im Winter Kostenlos Bücher Online Lesen
Autoren: MERIEL FULLER
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seinem Tod habt Ihr gewiss schwere Zeiten durchgemacht.“
    Sie presste die Lippen aufeinander, drängte die aufsteigenden Tränen zurück, wollte sein Mitgefühl nicht hören. Der Schrei eines Brachvogels zerriss die Stille und jagte ihr einen Schauer über den Rücken.
    „Wir sind zurechtgekommen“, antwortete sie nach einer Weile und bemühte sich, sachlich zu klingen.
    „Wir sind zurechtgekommen“, wiederholte Talvas und ahmte ihre Stimme nach. Machte er sich über sie lustig? „Wieso verharmlost Ihr Eure Situation, Madame? Es ist schwer für eine alleinstehende Frau, sich im Leben zu behaupten, erst recht für eine Frau, die gezwungen ist, Handel zu treiben.“
    „Unsinn! Die Kaiserin meistert ihr Schicksal und hat sogar die Absicht, ein Königreich zu regieren.“
    Talvas schnaubte verächtlich. „Sie verfügt über eine Heerschar von Dienern und Beratern, die ihr jeden Wunsch von den Augen ablesen. Seht doch, wie Earl Robert an ihren Lippen hängt.“ Er wies mit dem Kinn zum Ochsenkarren nach vorne, auf dem die Kaiserin reiste. „Ich rate Euch, haltet Euch von ihr fern, Emmeline.“ In seiner Stimme schwang ein warnender Unterton.
    „Welche Anmaßung! Wollt Ihr mir auch noch meinen Umgang vorschreiben?“, entgegnete sie aufbrausend. „Mir gefällt die Kaiserin. Ich bewundere ihren Kampfgeist.“
    „Genau diese Eigenschaften schätzt sie an Euch“, murmelte Talvas. „Verlasst Euch nur nicht zu sehr auf sie.“
    „Ich begreife, Talvas.“ Emmeline suchte nach einer Erklärung für seine rätselhaften Worte. „Ihr warnt mich vor ihr, weil Euch der Gedanke missfällt, eine Frau auf dem Thron zu sehen.“
    „Habe ich das gesagt?“, meinte er achselzuckend.
    „Ihr gönnt Frauen das Recht auf Eigenständigkeit nicht. Deshalb verurteilt Ihr sie genau wie Ihr mich verurteilt.“
    Talvas beugte sich vor, griff nach ihren Zügeln und brachte ihr Pferd zum Stehen. „Ihr wisst, dass das nicht stimmt, Emmeline. Ihr seid ungewöhnlich. Euer Verhalten verstößt gegen die herkömmlichen Sitten, ohne tadelnswert zu sein. Das ist mir klar geworden. Euer Verhalten ist lobenswert.“
    „Ich habe nur getan, was getan werden musste, um das Schiff zu retten.“
    „Mag sein, und dennoch war es eine waghalsige Leistung.“
    „Seht Ihr nun ein, dass ich auf mich selbst aufpassen kann, dass ich keinen Mann an meiner Seite brauche?“ Es lag ihr daran, ihm begreiflich zu machen, wie wichtig Ihr Unabhängigkeit und Selbstbestimmung waren.
    Er lachte. „Nein, Madame, in diesem Punkt muss ich Euch widersprechen. Die Art, wie Euer Körper auf mich anspricht, straft Eure Rede Lügen.“
    Emmeline erschrak. „Ihr nutzt meine gelegentlichen Schwächen aus“, flüsterte sie betroffen. „Ihr habt mich in eine Lage gebracht, in der ich wehrlos war.“
    „Dann sorge ich dafür, dass Ihr beim nächsten Mal besser vorbereitet seid.“ Seine Augen glänzten dunkel.
    In ihrer Verdutztheit über seine unverfrorenen Worte fiel ihr keine passende Entgegnung ein, um ihn in seine Schranken zu weisen. Bevor sie sich wieder gefasst hatte, kam Guillame angeritten, wendete sein Pferd und ritt neben ihnen her.
    „Hawkeshayne erwartet dich, Mylord“, verkündete er strahlend. „Ich habe das Gesinde aus den Betten gescheucht, und nun rennen alle herum, um Vorbereitungen für deine Heimkehr zu treffen.“
    „Gut zu hören“, antwortete Talvas. „Was mich betrifft, so brauche ich dringend ein Bad, und ich nehme an, den anderen ergeht es ebenso.“ Sein Blick streifte seine Begleiterin.
    Guillame nickte. „Die Wasserkessel über den Feuern dampfen bereits, Mylord.“ Er wandte sich an Emmeline. „Schaut nach vorne, Madame, bis Hawkeshayne ist es nicht mehr weit.“ Er wies mit dem Arm über das weite Tal.
    In der Ferne bot sich ihr ein erster Blick auf Lord Talvas’ Burg über dem Flussnebel. Auf einem Felsrücken ragten die hohen Zinnen einer Burgfeste. Bei Flut von drei Seiten von Wasser umspült, bei Ebbe von sumpfigem Marschland umgeben, war die Festung nur im Osten über eine lange überdachte Holzbrücke zugänglich. An die Ausläufer der gewaltigen Felsen schmiegten sich die Hütten des Dorfes.
    „Ich war der Meinung, Eure Heimat sei Boulogne, Mylord“, bemerkte Emmeline, die ihre Neugier nicht bezähmen konnte. Im Übrigen wollte sie ihn von weiteren Fragen nach ihrer Person ablenken. „Ich hatte keine Ahnung, dass Ihr in England lebt.“
    „Wilhelm der Eroberer schenkte meinem Großvater, der an seiner Seite

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