Zwei Herzen im Winter
ist uns hold, Mylady“, antwortete er und erntete damit einen erbosten Blick von Emmeline. Ihr einziger Besitz lag zertrümmert am Strand, und er redete von Glück.
„Ihr beliebt wohl zu scherzen, Mylord.“ Sie wollte einen Streit mit ihm vom Zaun brechen, das würde ihr helfen, ihr Verlangen zu ersticken, das jedes Mal in ihr aufwallte, wenn der Blick seiner blauen Augen sie traf, jedes Mal, wenn er sich ihr nur näherte.
Talvas lachte laut, spürte ihren entrüsteten Groll. „Aber ja. Wir haben großes Glück.“ Er wies mit dem Arm landeinwärts nach Norden. „Meine Burg und meine Ländereien liegen keine zwei Meilen von hier entfernt. Ich habe Guillame bereits nach Hawkeshayne vorausgeschickt, um Pferde und Ochsenkarren zu bringen.“
„Wir nehmen Eure Gastfreundschaft gern an, Mylord“, meldete der Earl sich zu Wort. „Dadurch bietet sich der Kaiserin und mir Gelegenheit, unsere Verbündeten zusammenzurufen, die uns nach Winchester begleiten, um die Kronjuwelen und den Thron in Anspruch zu nehmen. Henrys sterbliche Überreste werden in der Abtei von Reading aufgebahrt, um den Untertanen Gelegenheit zu bieten, ihrem verblichenen König die letzte Ehre zu erweisen.“ In diesem Augenblick wurde der in weiße Tücher gehüllte Leichnam von vier Seeleuten den Küstenstreifen heraufgetragen, und die kleine Gruppe schwieg ehrfürchtig.
„Worauf warten wir noch?“, brach Maud das Schweigen. „Ich brenne darauf, Königin von England zu werden.“ Sie hob ihre plumpe Hand. „Hilf mir auf, Emmeline, meine Knochen sind steif geworden“ Emmeline wollte aufstehen, doch Talvas kam ihr zuvor, schob sie beiseite und zog die Kaiserin auf die Füße. Emmeline schnaubte wütend.
„Es ist an der Zeit, dass ich mich verabschiede.“ Sie zupfte Talvas am Ärmel, um auf sich aufmerksam zu machen. Stirnrunzelnd wandte er sich ihr zu. Emmeline schluckte, ihre Kehle war vom Salzwasser ausgetrocknet. „Wenn Ihr mir ein Pferd zur Verfügung stellt, reite ich zur Burg meiner Schwester, die keine zwanzig Meilen von hier entfernt liegt.“
„In diesen Fetzen?“ Sein Tadel war nicht zu überhören. Er musterte sie von Kopf bis Fuß. Im Unterkleid und seinem Umhang um die Schultern, das blonde Haar in langen verklebten Strähnen über Schultern und Rücken hängend, sah sie aus wie eine zerzauste Meerjungfrau. „Ich finde, Ihr sollt Euch ausruhen, ehe Ihr die Reise fortsetzt.“
„Ja, bleib noch eine Weile bei uns, Emmeline“, stimmte Maud ihm zu. „Ich möchte dich gern näher kennenlernen.“
Genau wie ich, dachte Talvas bei sich. Er kannte diese Frau erst seit wenigen Tagen, und in dieser kurzen Zeit hatte sie es geschafft, seine geordnete Welt auf den Kopf zu stellen. Nein, es war nicht in seinem Sinn, dass sie so schnell wieder aus seinem Leben verschwand.
„Ich …“, wollte Emmeline widersprechen, Talvas aber schnitt ihr schroff das Wort ab.
„Wie denkt Ihr Euch das eigentlich? Habt Ihr keine Ahnung, was Euch zustoßen kann, wenn Ihr allein über Land reitet?“ Emmelines Gesicht übergoss sich flammend rot, sie war sich peinlich bewusst, dass Maud und Robert den tadelnden Worten von Lord Talvas aufmerksam lauschten.
„Ich kann tun und lassen, was mir gefällt“, antwortete sie halsstarrig. Mit welchem Recht machte er ihr Vorschriften? Er war nicht ihr Vormund!
„Ihr werdet schon sehen, ob es Euch gefällt, vom Pferd gezerrt und hinter dem nächsten Gebüsch geschändet zu werden“, entgegnete er barsch. Unwillkürlich zuckte sie unter seinen scharfen Worten zusammen und krallte die Finger in den Umhang. Talvas bedauerte, sie so angeherrscht zu haben.
„Auch wenn Ihr meine Bedenken nicht gern hört, rate ich Euch dringend, sie zu beherzigen. Ich spreche die Wahrheit. Nehmt meine Gastfreundschaft an, wenn auch nur für eine Nacht. Morgen kann ich Euch Reiter als Begleitschutz zur Verfügung stellen.“
„Warum lasst Ihr das Mädchen nicht ziehen?“, meldete der Earl sich zu Wort. „Sie hat ihren Zweck erfüllt.“ Im Übrigen könnte er diesem verführerischen Luder nachreiten, wenn sie es unbedingt auf ein Abenteuer anlegte!
Talvas zog die Schultern hoch, in einer Geste der Resignation. „Ich kann sie nicht zwingen, aber es wäre mehr als leichtfertig, ohne Begleitung zu reisen.“
„Dann stellt mir noch heute Begleitschutz zur Verfügung“, wandte sie herausfordernd ein. Sie wollte sich nicht geschlagen geben und hatte nicht den Wunsch, länger als nötig mit diesem hochfahrenden Mann
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