Zwei Herzen im Winter
siegreich in Hastings kämpfte, diese Burg und die dazugehörigen Ländereien. Mein Vater vererbte mir den Besitz, als meine Schwester Matilda Wilhelms Neffen Stephen heiratete. Ehrlich gesagt liegt mir die Seefahrt mehr am Herzen als der Kampf mit dem Schwert.“
Emmeline registrierte die vielen Boote, die an der Uferböschung lagen, als die Reiterschar hufeklappernd über die Brücke trottete. Vor dem hohen Tor in der Burgmauer standen Soldaten in blauen, goldbestickten Wappenröcken, den Farben von Lord Talvas. Der Torbogen war mit einem breiten, kunstvoll gemeißelten Steinfries geschmückt, der mythologische Darstellungen von Löwen und Greifvögeln aufwies. Der Hufschlag ihres Pferdes hallte von der Mauer wider, bevor sie in das Licht des äußeren Burghofs ritt.
„Seid mir gegrüßt, Mylord. Es ist ein Segen, Euch wieder wohlbehalten empfangen zu dürfen.“ Ein drahtiger, untersetzter Mann eilte Talvas entgegen.
„Auch ich bin froh, erneut zu Hause zu sein.“ Talvas zog seinen breitrandigen Lederhut. Emmeline staunte über das schulterlange Haar der Knechte, die auf dem Burghof hin und her eilten. Die Eroberung der Normannen lag nun beinahe siebzig Jahre zurück, und dennoch hatten sich die meisten Angelsachsen den Bräuchen der Normannen bislang nicht angepasst, die ihr Haar kurzgeschnitten trugen. Diese Männer in ihren langen Mähnen sahen aus wie furchterregende Barbaren!
Talvas schwang sich aus dem Sattel. „Wie geht’s, Waltheof?“ Er übergab die Zügel einem Stallburschen, der das Pferd wegführte.
„Die Gemächer für die hohen Gäste sind vorbereitet“, antwortete Waltheof. Die ehrerbietige Betonung ließ darauf schließen, dass der Burgvogt von der Ankunft der Kaiserin unterrichtet war. „Und hier kommt Bronwen, die Ihrer Kaiserlichen Hoheit während ihres Aufenthalts auf Hawkeshayne als Dienerin zur Verfügung stehen wird.“ Ein hochgewachsenes, gertenschlankes Mädchen näherte sich und verneigte sich tief vor der Kaiserin, der zwei Knechte beim Aussteigen aus dem Ochsenkarren behilflich waren. „In der Großen Halle prasselt ein Feuer, und das Gesinde in der Küche ist damit beschäftigt, den Gästen ein kräftiges Mahl zu bereiten“, fuhr Waltheof mit stolz geschwellter Brust fort.
Talvas klopfte seinem Burgvogt anerkennend auf die Schulter. „Das habt Ihr ausgezeichnet gemacht, Waltheof, noch dazu in dieser kurzen Zeit.“
Earl Robert zog Talvas beiseite und wies zum zweiten Ochsenkarren hinüber. Talvas nickte.„Ich stelle eine Eskorte zur Abtei von Reading zur Verfügung. Nach dem Frühmahl können die Soldaten aufbrechen.“
Emmeline, die immer noch im Sattel saß, fing Wortfetzen der leise geführten Unterhaltung auf und kochte innerlich vor Zorn. Aha, zur Begleitung eines Leichnams konnte er eine Abordnung Ritter stellen, aber ihr verweigerte er diesen Dienst!
„Wollt Ihr immer noch fortfliegen, kleines Vögelchen?“ Talvas trat zu ihr. „Wie mir scheint, zögert Ihr, vom Pferd zu steigen.“
„Ich habe nicht den Wunsch zu bleiben, wie Ihr wisst.“ Sie musterte ihn finster von oben herab, aber in Wahrheit sehnte auch sie sich nach einem Bad und sauberen Kleidern. „Für einen Leichnam stellt Ihr Reiter zur Verfügung, die Ihr mir verweigert!“
„Welche Undankbarkeit!“, entrüstete er sich, aber in seinen blauen Augen blitzte ein belustigter Funke. „Ihr stellt hohe Ansprüche, Madame. Ich biete an, Euer Schiff zu reparieren und Euch morgen eine Eskorte zur Verfügung zu stellen, aber das reicht offenbar nicht. Es wird doch nicht zu viel verlangt sein, Euch noch einen Tag zu gedulden, oder?“
Wie sollte sie ihm erklären, dass sie seinem magischen Bann entfliehen musste, aus Furcht, die Fassung in seiner Gegenwart zu verlieren? Dieser Mann verleitete sie dazu, verwirrende Dinge zu tun und all ihre Vorsätze zu vergessen. Sie nagte unschlüssig an ihrer Unterlippe und schüttelte den Kopf. „Ich muss von hier fort! Ich muss fort von Euch!“ Entsetzt stellte sie fest, dass sie ihre Gedanken laut ausgesprochen hatte. Seine Augen verdunkelten sich. Er nahm die Zügel und zog Pferd und Reiterin näher zu sich.
„Warum?“ Seine Stimme klang beinahe drohend.
Sie schüttelte den Kopf, unfähig und unwillig zu antworten.
„Fürchtet Ihr Euch vor dem, was geschehen könnte?“ Plötzlich klang seine Stimme samtweich.
„Wovor sollte ich mich fürchten?“, fragte sie stockend, nur um diese knisternde Spannung zu brechen.
„Vor mir?“
Emmeline
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