Zwei Herzen im Winter
gerettet werden, die durch seichtes Wasser watend von hohen Brandungswellen an Land gespült wurden. Emmeline hätte Gott danken müssen, dass alle gerettet waren, stattdessen war sie mutlos und verzweifelt.
Sie rieb sich die vom Salzwasser brennenden Augen und versuchte, die Erinnerung an Talvas zu verdrängen, der sie an Land getragen hatte, bevor er zurückgeeilt war, um den anderen zu helfen, das sichere Ufer zu erreichen.
„Emmeline, wie fühlst du dich? Bist du verletzt?“
Sie drehte den Kopf, das Haar fiel ihr strähnig über die Schultern. Maud kauerte neben ihr, den Umhang eng um die Schultern gezogen, das königliche Haupt immer noch von ihrem bestickten Schleier bedeckt. Allerdings war der goldene Reif verrutscht und hing ihr schief im geröteten Gesicht.
„Danke Mylady, mir geht es gut.“ Sie warf der Kaiserin ein dünnes Lächeln zu. „Und wie fühlt Ihr Euch? Plagt Euch die Übelkeit noch?“
„Ach … das!“ Maud verzog ihr rundes Gesicht. „Davon habe ich mich wieder erholt. Ich bin froh, England endlich erreicht zu haben. Nur der Schreck des Schiffbruchs sitzt mir noch in den Knochen.“ Sie wies zu den Wrackteilen hinüber.
„Ihr seid fast am Ziel, und das ist für Euch das Wichtigste.“ Emmeline krallte die Finger in den nassen Sand, der an ihren Fingern klebte.
„Ja. Ich beanspruche nach dem Tod meines Vaters die Krone von England.“ Maud, die in Emmeline eine Verbündete wähnte, musterte sie aus ihren braunen Knopfaugen. „Kein leichtes Unterfangen. Mein Vater ließ zwar die Barone vor Jahren auf meine Thronfolge schwören, aber Männer gönnen einer Frau keine Macht.“
„Männer gönnen Frauen so manches im Leben nicht“, erwiderte Emmeline, deren Bewunderung für die willensstarke Frau wuchs, in diplomatischer Vorsicht. „Obgleich wir fähig sind, viele Dinge genauso gut zu tun, manches vielleicht sogar besser.“
Maud lachte. „Wir sind offenbar vom gleichen Schlag. Beide kämpfen wir um unsere Unabhängigkeit. Lass uns hoffen, dass wir Erfolg haben.“
„Auch ich wähnte mich meinem Ziel nah“, entgegnete Emmeline traurig und blickte mutlos zu ihrem Schiffswrack hinüber. Seitlich im Bug klaffte ein riesiges Loch, von den Felsen aufgerissen, als der Sturm das Schiff dagegen geschleudert hatte.
„Ich komme für die Kosten der Instandsetzung auf“, versprach Maud. „Ich belohne die Menschen, die mir helfen.“ In ihren freundlichen Worten schwang ein verschwörerischer Unterton. „Aber zunächst halte ich es für angebracht, dass du dir etwas anziehst.“
Emmeline blickte an sich herab und errötete beschämt. Ihr vom Salz steif gewordenes Untergewand klebte an ihr und betonte ihren Körper.
„Wenn Ihr gestattet.“ Eine dunkle Stimme drang in Emmelines Verlegenheit, umschmeichelte ihre Sinne. Ihr Herz klopfte schneller. Talvas stand breitbeinig vor ihr, legte ihr seinen nassen Umhang um die Schultern und verbarg ihre Blößen vor neugierigen Blicken. Dankbar hüllte sie sich darin ein, danach sah sie ihn an, doch seine Aufmerksamkeit war bereits von einer Bewegung in der Ferne abgelenkt.
„Wieso hast du die Hälfte deiner Kleider verloren?“, fragte Maud neugierig.
„Sie kletterte den Mast hinauf, um das Segel zu befestigen“, antwortete Talvas an Emmelines Stelle, die seine Augen suchte, in der Erwartung, eine Spur von Geringschätzung in seiner Miene zu entdecken. Die Bartstoppeln, die seine untere Gesichtshälfte verdunkelten, verliehen ihm zwar das verwegene Aussehen eines Seeräubers, aber Geringschätzung konnte sie nicht entdecken. Ihr Blick heftete sich unwillkürlich auf seinen Mund, die geschwungenen, verführerischen Lippen. Ihr Herz krampfte sich zusammen in der ungebetenen Erinnerung an den Kuss auf dem sturmgepeitschten Deck.
„Dein Mut verdient hohes Lob, junge Frau“, sagte Maud gedehnt. „Du hast uns gerettet, du hast deiner Königin das Leben gerettet.“
„Nicht so hastig, Maud.“ Earl Robert stapfte den steinigen Küstenstreifen herauf und bedachte Emmeline mit einem tückischen Lächeln, seine Augen hefteten sich auf das Jadeamulett an ihrem Hals. Emmeline zog den Umhang enger um sich. Sein stechender Blick war ihr unheimlich. Je früher sie zur Burg ihrer Schwester aufbrechen konnte, umso besser.
„Ich werde nicht vergessen, was du für mich getan hast.“ Maud legte die Hand auf Emmelines Ärmel, bevor sie Talvas anschaute. „Nun, Mylord, Ihr kennt dieses Land. Wo, in Gottes Namen, befinden wir uns?“
„Das Glück
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