Zwei Herzen im Winter
rächen.“
„Andere werden sich um Maud kümmern.“
Emmeline schüttelte verständnislos den Kopf, ein Wassertropfen lief ihr über die Wange und benetzte ihren Hals. „Talvas, begreift doch, Euer Leben ist in Gefahr! Warum seid Ihr zurückgekommen? Warum nur?“
Talvas stand steifbeinig auf. Im Halbdunkel funkelten seine Augen wie glühende Kohlen. In zwei Sätzen war er bei ihr und kniete sich ins Heu. Sein Kettenhemd glitzerte wie silbrige Schuppen.
„Ich bin wegen Euch umgekehrt.“
Emmeline zog den Atem scharf ein. „Nein …“ Ihre Fingerkuppen berührten zaghaft seine Rüstung. „Talvas, ich begreife nicht“, flüsterte sie ungläubig. „Ihr riskiert Euer Leben für mich?“
Er nahm ihre Hand, wärmte ihre immer noch kalten Finger. „Denkt Ihr tatsächlich, ich hätte Euch Mauds Willkür überlassen?“ Sein Herz klopfte unruhig, die Tiefe seiner Empfindungen für diese Frau brachte ihn aus dem Gleichgewicht. Er holte stockend Atem. Ihre helle Schulter, die unter dem verrutschten Pelz sichtbar wurde, zog ihn magisch an.
Als er sie schließlich gefunden hatte, im Heu zusammengerollt, schlotternd, mit blauen Lippen, war sie bereits halb erfroren. Zu keinem anderen Gedanken fähig als sie zu wärmen, hatte er ihr die nassen Kleider vom Leib gerissen, ihre eiskalten Gliedmaßen mit Heubüscheln abgerieben und sie in seinen pelzgefütterten Umhang gehüllt. Er hatte nur daran gedacht, ihr das Leben zu retten, und gehofft, ihre Nacktheit vergessen zu können.
Und er hatte geglaubt, es wäre ihm gelungen. Doch beim Anblick ihrer nackten Schulter kehrte die Erinnerung wieder an die verführerischen Rundungen ihrer Brüste, ihre schmale Mitte, an den Schwung ihrer Hüften. Wie zerbrechlich und schutzlos sie im Heu da lag! Die Bilder stürmten mit quälender Klarheit auf ihn ein. Nun, da sie ihn mit großen fragenden Augen ansah, wuchs sein Verlangen nach ihr. Zum Teufel! Er sollte sie zu ihrer Schwester in Sicherheit bringen, aber alles, wonach ihn verlangte, war, sich mit ihr zu vereinen, sie zu besitzen.
„Ihr seid … wegen mir zurückgekommen?“ Emmeline lachte auf, in der Hoffnung, damit die gefährlich knisternde Spannung zwischen ihnen zu lösen. Ihr wurde warm ums Herz. „Aber warum in aller Welt?“
„Warum wohl?“ Emmeline fühlte sich benommen unter dem eindringlichen Blick seiner saphirblauen Augen. Tief in ihrem Innern setzte ein seltsames Flattern ein, als wolle etwas sie vor einer dunklen Gefahr warnen.
„Das hat noch niemand für mich getan“, flüsterte sie mit belegter Stimme. Talvas hatte sein Leben für sie riskiert. Giffard hätte sie bedenkenlos im Stich gelassen. Er hatte sein ganzes Leben an nichts anderes gedacht als an sich selbst. Er hätte sie auf die Straße gesetzt, sobald sie ihm nicht mehr nützlich gewesen wäre. War das nicht der Grund, warum er sie die steile Stiege hinuntergestoßen hatte? Weil sie ihm lästig geworden war? Weil sie sein Kind erwartete? „Du nutzlose Hure!“, hatte er sie angeschrien. „Das fehlte mir gerade noch, dass auch noch ein schreiendes Balg an deinen Röcken hängt. Ich werde dich lehren, mir ein Kind anzuhängen!“ Seine wüsten Beschimpfungen hallten in ihr nach.
„Ihr seid ein guter Mensch“, flüsterte sie und schluckte gegen den Knoten in ihrer Kehle an. Ganz zaghaft, beinahe andächtig legte sie einen Finger an Talvas’ Wange und verbannte auf diese Weise die quälenden Schreckensbilder.
Mit geschlossenen Augen genoss Talvas ihre zarte Berührung, die köstliche Hitze, die sich auf seiner Haut ausbreitete. Er kämpfte um seine Beherrschung, bemühte sich, sein Begehren zu ersticken, und zwang sich, die Augen zu öffnen.
Emmeline ließ die Hand sinken. „Ihr müsst gehen“, drängte sie. „Die Häscher sind Euch auf den Fersen. Der Earl drohte damit, Euch die Kehle …“
„Macht Euch um mich keine Sorgen“, brummte er. „Ich bin stark genug, um auf mich aufzupassen.“
Sie seufzte resigniert. „Ich kann Euch nicht zwingen. Aber ich begreife nicht, wieso Ihr unbedingt bleiben wollt.“
„Wieso nicht?“
Sie stutzte, begriff seine Frage nicht.
„Ihr haltet mich für störrisch, mein Freiheitsdrang macht Euch wütend.“ Sie lachte nervös.
Er nahm ihre beiden Hände, die Schwielen seiner Handflächen fühlten sich rau an. „Das stimmt. Aber ich gewöhne mich daran … ich gewöhne mich an Euch.“
„Was meint Ihr damit?“ Ein Zittern durchfuhr sie, ängstliche Erwartung lähmte sie.
„Das meine
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