Zwei Herzen im Winter
gewachsen war, mehr als er sich eingestehen wollte? Nach seiner bitteren Enttäuschung mit Sylvie hatte er ernsthaft geglaubt, sein Herz nie wieder an eine Frau zu verlieren. Aber in diesem Augenblick wurde ihm klar, dass er sich ein Leben ohne Emmeline nicht mehr vorstellen konnte. „… mich und meine Gemahlin“, fügte er schließlich hinzu.
Verblüfft hob Emmeline den Blick, um zu erfahren, was das zu bedeuten hatte. Talvas’ schaute sie nur unschuldig lächelnd an. Ein wenig steif geworden vom langen Sitzen in der Kälte, versuchte sie sich aufzuraffen, und erschrak fast ein wenig, als er sie unter den Ellbogen fasste und ihr aufhalf.
Edgar verneigte sich respektvoll und verbarg ein tückisches Lächeln. Diese kleine Hure, dachte er, ist genauso wenig mit dem Lord verheiratet wie ich. Er warf einen flüchtigen Blick in ihre Richtung und stutzte beim Anblick ihrer zarten Schönheit. Sie war Sylvie so verblüffend ähnlich – allerdings unendlich viel begehrenswerter.
„Ich danke Euch, Mylord“, antwortete er einschmeichelnd.
Die Bewohner aus der Umgebung drängten scharenweise nach Wareham zum Wochenmarkt. Auf dem Platz vor der Kirche hatten Händler und Bauern bereits vor Tagesanbruch ihre bunt bemalten Stände aufgebaut, um ihre Waren feilzubieten. Lautstark priesen sie Körbe, Geschirr und Gerätschaften an, andere hatten Eier, Brot, Käse und Geflügel im Angebot, und jeder Budenbesitzer versuchte den anderen zu übertönen, um Kundschaft anzulocken. Talvas, Emmeline und Edgar ritten durch das Stadttor und tauchten ein in das Gewirr der Menschen, die dem Kirchplatz zustrebten. Gelegentlich hob einer aus der Menge den Reitern das Gesicht entgegen und nickte beim Anblick der scharlachroten Waffenröcke mit den goldenen Löwen. Es war allgemein bekannt, dass die Bewohner von Wareham König Stephen in seinem Bestreben unterstützten, Kaiserin Maud zu entmachten.
„Hier machen wir Rast“, rief Talvas mit lauter Stimme, um den Lärm der Marktschreier zu übertönen. Er schwang sich aus dem Sattel und band sein Pferd an einen Pfosten vor einer Schänke. Edgar tat das Gleiche. Überwältigt vom Lärm und dem Gedränge der Leute nach der stillen Waldeinsamkeit, ließ Emmeline mit großen Augen den Blick über die Marktstände mit ihren vielfältigen Waren schweifen. An einem wurden farbenprächtige Seiden- und Wollstoffe in großen Ballen angeboten, die ihr Interesse weckten. Ganz entgegen ihrer sonstigen Art, verspürte sie den Wunsch, die edlen Stoffe zu berühren. Geoffrey hätte seine helle Freude an dem reichhaltigen Angebot. Unvermutet überkam sie eine heftige Sehnsucht nach der Heimat, nach Barfleur. Es schien eine Ewigkeit vergangen zu sein, seit sie ihre Mutter und ihre Freunde gesehen hatte.
„Emmeline?“ Talvas’ dunkle Stimme schreckte sie aus ihren Träumereien auf. Sie saß immer noch im Sattel ihres Wallachs und hatte einen Moment lang die Orientierung verloren.
„Ein wahrer Augenschmaus.“ Er lächelte zu ihr herauf. „Willst du dich ein wenig umsehen?“
„Darf ich?“, platzte sie überrascht heraus, da sie nicht erwartet hatte, dass er Verständnis für weibliches Interesse an Tand und Glitzerkram haben könnte.
Er legte dem Wallach die Hand an den Hals und schob ihn seitlich zu dem Pfosten, um ihn festzubinden. „Natürlich“, entgegnete er mit einem spöttischen Funkeln in den Augen. „Solange du kein Geld ausgibst.“
Emmeline schwang das rechte Bein über den Sattelknauf und glitt vom Pferd, dabei kam sie unglücklich auf dem unebenen Kopfsteinpflaster auf und knickte mit dem verletzten Fuß um. Schon war Talvas zur Stelle, nahm sie beim Arm und gab ihr Halt. Sie hatte das Gefühl, jeder Knochen und jeder Muskel schmerze sie nach den langen Stunden im Sattel.
„Das alles ist zu anstrengend für dich“, murmelte er.
Augenblicklich straffte sie die Schultern und biss die Zähne aufeinander. „Mir fehlt nichts, Talvas. Ich bin nur nicht daran gewöhnt, so lange zu reiten.“
„Ich habe immer noch Bedenken gegen Stephens Plan, dich mit diesem Auftrag zu betrauen.“
Sie hob ihm das Gesicht entgegen. „Lass es gut sein. Das hilft mir zu vergessen“, murmelte sie.
Er legte ihr die Hand auf die Schulter.„Wenn du meinst …“ Sein Tonfall klang nicht sehr überzeugend. „Robert, könnt Ihr uns etwas zu essen besorgen, während ich meine Dame auf dem Markt herumführe? Wir haben nicht viel Zeit und müssen Sedroc vor Einbruch der Nacht erreichen.“
Robert,
Weitere Kostenlose Bücher