Zwei Herzen im Winter
niemals auf einen Handel mit Euresgleichen ein“, entgegnete Talvas schneidend. Er vermochte seinen rasenden Zorn nicht länger zu zähmen.
„Dann wird das Vögelchen sterben“, entgegnete Edgar seelenruhig und mit einem tückischen Lächeln. „Aber wenn ich nicht irre, werdet Ihr alles tun, um ihr das Leben zu retten. Ich habe euch nämlich auf der Waldlichtung beobachtet. Sie ist ein Leckerbissen, das gestehe ich gern ein.“
Talvas’ Gedanken rasten. Nie zuvor war seine Loyalität so sehr auf die Probe gestellt worden, schon gar nicht wegen einer Frau. Mit einem Mal wurde ihm klar, wie unentwirrbar er mit Emmeline verstrickt war. Er war gezwungen, sich zwischen seinem König und dieser Frau zu entscheiden. Es kostete ihn große Kraft, diesem Schurken eine Antwort in ruhigem Tonfall zu geben. „Abgemacht, Edgar. Unter einer Bedingung.“
„Und die wäre?“
„Der Frau darf kein Leid geschehen. In keinster Weise.“ Die Bedeutung seiner Worte war unmissverständlich.
Edgar gab wieder dieses kindische Kichern von sich.„Ach, wie schade. Ich muss gestehen, dass ich das überaus bedaure. Sie ist wesentlich reizvoller als ihre Schwester.“
Talvas kochte vor Zorn, unwillkürlich trat er einen Schritt vor. Edgars Klinge drückte sich tiefer in Emmelines Kehle, ein spitzer Schmerzensschrei entfuhr ihr. Talvas erstarrte beim Anblick des Blutes, das in einem dünnen Rinnsal ihren Hals hinunterlief.
„Vorsicht, Talvas. Ich will Stephen, nicht eine vergnügliche Nacht.“ Edgar bewegte sich rückwärts zum Rand des Platzes, schleppte Emmeline mit sich, die wie eine leblose Puppe an ihm hing, und versuchte, den Boden unter den Füßen nicht zu verlieren. „Wir treffen uns morgen oben auf dem Hügel hinter der Stadtmauer, an dem Fichtenwäldchen. Wenn Ihr Euch beim Mittagsläuten nicht mit König Stephen dort einfindet, wird das Mädchen sterben.“
16. KAPITEL
Edgar schleppte Emmeline durch die verwinkelten Gassen von Wareham, über Hinterhöfe, an Holzverschlägen vorbei, ohne seinen mörderischen Griff zu lockern. Der Himmel begann sich zu verdunkeln, schwere Wolken und ein steifer Westwind drohten, Regen zu bringen. Edgar kannte sich offenbar gut in dem Gewirr der engen Durchgänge aus. Schließlich erreichten sie eine Gasse mit halb verfallenen, nicht mehr bewohnten Hütten. Er stieß mit der Schulter eine Holztür auf und warf sie in einen finsteren kleinen Raum.
„Wage bloß nicht, den Mund aufzumachen“, drohte er und fuchtelte mit dem Dolch vor ihrem Gesicht herum, während er einen schweren Eisenriegel vorschob. Emmeline schaute sich ängstlich in der rußgeschwärzten Kammer um, offenbar eine ehemalige Küche. Durch ein winziges vergittertes Fenster, an dem dichte Spinnweben hingen, drang kaum Tageslicht. Sie erschauerte.
„Setz dich!“, befahl Edgar und wies auf einen Stuhl neben einem grob gezimmerten Tisch, der einzigen Einrichtung in dem Verlies.
Emmeline gehorchte und hütete sich, ihren Peiniger zu reizen, dessen unstet flackernder Blick ihr Angst einjagte. Die brennende Schnittwunde an ihrem Hals mahnte sie daran, dass der Kerl zu allem fähig war. Widerspruchslos ließ sie sich Arme und Beine an den Stuhl binden. Er zog die Schnüre fest, bis sie ihr schmerzhaft ins Fleisch schnitten.
„Das hätten wir“, verkündete Edgar, trat einen Schritt zurück und bewunderte sein Werk. „Mal sehen, ob du dich aus diesen Fesseln befreien kannst.“ Er bückte sich nach seinem Lederbeutel, den er auf den Lehmboden geworfen hatte, holte einen bauchigen Weinschlauch heraus und nahm einen tiefen Schluck. Er rülpste.
Plötzlich kochte Wut über die Grausamkeit dieses Monsters in ihr hoch und ließ sie ihren Vorsatz vergessen, die Dulderin zu spielen. „Das habt Ihr Euch fein ausgedacht und geplant“, fauchte sie.
Edgars irrer Blick heftete sich an das blutige Rinnsal an Emmelines lilienweißen Hals und wanderte schließlich lüstern über ihre schlanke Gestalt. „In unruhigen Zeiten lohnt es sich, einen geheimen Unterschlupf zu haben. Kein Mensch in Wareham weiß von diesem Versteck.“
„Wie konntet Ihr wissen, dass Talvas und ich auf dieser Straße reiten?“
Edgar plumpste schwer auf den Lehmboden und lehnte den Rücken gegen die mit Stroh und Lehm ausgekleidete Wand, auf der sich große Schimmelflecke gebildet hatten. Unentwegt drehte er die scharfe Klinge in der Hand, als könne er es kaum erwarten, Blut daran zu sehen. „Bei meiner gestrigen Rückkehr fand ich meine Burg voll
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