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Zwei Herzen im Winter

Zwei Herzen im Winter

Titel: Zwei Herzen im Winter Kostenlos Bücher Online Lesen
Autoren: MERIEL FULLER
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fest.“
    „Höchste Zeit also, dass ich mich an die Arbeit mache“, entgegnete sie mit Bestimmtheit.
    Er strich ihr eine widerspenstige Haarsträhne aus dem Gesicht. „Ich wünschte, ich könnte dich begleiten.“
    Bei seiner zarten Berührung begann sie innerlich zu zittern. „Das wünschte ich auch.“
    Er umfing ihr Gesicht mit beiden Händen und drückte ihr einen zärtlichen Kuss auf den Mund.
    „Nimm dich in Acht, meine Schöne“, flüsterte er.
    Geschickt kletterte Emmeline die Felswand hinauf, fand mühelos Stützen für Hände und Füße, und erreichte erstaunlich rasch die kleine Maueröffnung. Bevor sie sich durch den schmalen Durchschlupf zwängte, blickte sie sich um und winkte Talvas unten im Boot zu. Danach zog sie den Lederbeutel hinter sich her und fand sich in einem dunklen Gang wieder, an dessen Ende eine Pechfackel flackerte. Sie zog die Kapuze ihres kurzen Umhangs über den Zopf, den sie sich um den Kopf gewunden und festgesteckt hatte.
    Im Geist wiederholte sie Talvas’ Anweisungen und wusste, in welche Richtung sie zu gehen hatte. Der Brunnen befand sich vor dem Küchentrakt in einem kleinen Innenhof, etwa zehn Stufen tiefer. Niemand hielt sie für einen Eindringling, als sie die Stufen hinunterstieg, mit sicheren Schritten die lärmende Halle durchquerte, durch die verrauchte Küche marschierte, wo das Gesinde mit Essensvorbereitungen alle Hände voll zu tun hatte. Den Blick geradeaus gerichtet, huschte sie in den Innenhof. Mit fliegenden Fingern öffnete sie die Verschnürung des Lederbeutels, zögerte nur einen winzigen Moment, bevor sie die Schierlingssamen in die Brunnenöffnung leerte. Sie hörte ein rieselndes Geräusch wie Regentropfen, die in Wasser plätschern.
    „Was zum Teufel tust du da?!“
    Emmelines Nackenhaare sträubten sich. Diese Stimme! Das Blut gefror ihr in den Adern. Mauds herrische Stimme.
    „Antworte, du Bauernlümmel! Was hast du in den Brunnen geworfen?“
    Aus den Augenwinkeln erspähte Emmeline ihren Fluchtweg, eine schmale Holzstiege, die nach oben führte. Langsam drehte sie sich um.
    „Du?!“, entfuhr es Maud. „Ich dachte, du bist tot.“ Das Gesicht der Kaiserin war von Zornesröte überzogen.
    „Die Belagerung ist vorüber, Mylady“, sagte Emmeline in erzwungener Ruhe. „Das Brunnenwasser ist vergiftet.“
    „Du kleines Miststück!“ Maud packte sie grob am Arm. „Du Verräterin. Und ich habe dir vertraut. Ich hätte dich reich gemacht, du dumme Gans. Ich hätte dich mit Reichtümern überhäuft, die du dir in deinen kühnsten Träumen nicht hättest ausmalen könntest. Aber du hast dich auf Stephens Seite geschlagen.“
    „Gebt auf, Mylady. Übergebt die Festung.“
    „Niemals!“, zischte Maud, die Augen zu Schlitzen verengt. Sie krallte ihre Hand in Emmelines Ärmel. „Wachen!“, schrie sie gellend. „Wachen!“
    „Lebt wohl, Mylady.“ Emmeline riss sich los, rannte die Holzstiege hinauf und tastete sich mit ausgestreckten Armen an den feuchten Mauern eines dunklen Gangs entlang. Hinter ihr wurden Rufe laut, schwere Stiefelschritte näherten sich, als sie den Durchschlupf fand. Sie zwängte sich mit den Beinen voran durch die Öffnung und suchte mit den Füßen Halt. Ihr dunkler Umhang wehte im Nachtwind, als sie den Beutel durch die Öffnung zerrte und fallen ließ, da er sie beim Abstieg behindert hätte. Bald fühlte sich der Fels feucht und glitschig unter ihren Fingern an, von Algen bewachsen, und sie wusste, dass die Flut zurückwich. Über ihr hörte sie wildes Geschrei, dann Talvas gedämpfte Stimme.
    „Spring, Emmeline. Ich bin direkt unter dir.“
    Ohne sich umzudrehen, ganz im Vertrauen auf seine Zuverlässigkeit, sprang sie und landete sicher in seinen kraftvollen Armen.
    „Das hat lange genug gedauert“, brummte er zärtlich, und in seinem Gesicht breitete sich ein erleichtertes Lächeln aus.
    Im Morgengrauen wehte die weiße Fahne der Kapitulation auf den Zinnen von Sedroc Castle. Maud hatte sich augenscheinlich eines Besseren besonnen. Ein verängstigter Herold setzte Stephen von der Absicht der Kaiserin in Kenntnis, sich noch am gleichen Tage kampflos mit ihrem Halbbruder nach Gloucester zurückzuziehen. Nach einer Nacht, die Emmeline und Matilda auf schmalen Pritschen in einer Ecke von Stephens Zelt verbrachten, wurde das Feldlager abgebrochen, und die Soldaten ritten im Triumphzug zurück nach Hawkeshayne.
    Nun kramte Matilda in einer geschnitzten Truhe und warf achtlos kostbare Gewänder auf die Dielen des

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