Zwei Herzen im Winter
Schwester. „Gestatte mir wenigstens, mich in mein Zelt zurückzuziehen.“ Lachend humpelte er zum Zelteingang.
„Los, Emmeline, ich brauche deine Hilfe. Du kannst ihn festhalten, wenn er schreit.“ Matilda lachte über das irritierte Gesicht ihrer Freundin. „Du liebe Güte, Emmeline, das war doch nur Spaß.“
Matildas Heiterkeit verflog allerdings rasch beim Anblick der entzündeten Wundränder. Nachdem sie ihn gezwungen hatte, seine Beinkleider herunterzulassen, führte sie ihn zur Strohmatratze, auf der er nachts schlief. Da lag er auf dem Rücken, einen Arm über den Augen, den Mund zu einem schmalen Strich zusammengepresst, während Matilda die blutverkrustete Umgebung der Pfeilwunde abtastete.
„Du leichtsinniger Narr“, schalt Matilda. „Die Wunde ist schlecht gesäubert … und dieser Verband.“ Mit spitzen Fingern hielt sie einen blutdurchtränkten Leinenstreifen hoch und verzog angewidert das Gesicht. „Was hat Guillame sich dabei gedacht?“
„Das ist doch nicht seine Schuld“, verteidigte Talvas seinen Gefährten. „Unter den gegebenen Umständen hat er sein Bestes getan.“
Emmeline holte auf Matildas Bitte hin einen Lederbeutel, der am Sattel ihrer Stute befestigt war, während Guillame Wasser in einem kleinen Kessel über dem Feuer erhitzte. Talvas wirkt müde und erschöpft, dachte sie besorgt, während sie an den Lederriemen nestelte.
„Zum Glück habe ich meine Arzneien mitgebracht“, sagte Matilda, während sie die Stoffsäckchen aus dem Beutel nahm und daran schnupperte, um die richtigen Kräuter zu finden für einen Umschlag, der das Gift aus der Wunde ziehen sollte.
„Hoffentlich weißt du, was du tust“, brummte Talvas, verschränkte die Arme hinter dem Kopf und beobachtete Mathilda argwöhnisch. Und dann ruhte sein Blick auf Emmeline, die beflissen die Anweisungen seiner Schwester ausführte.
„Ihr scheint Euch wieder gut erholt zu haben, Madame“, stellte er unvermittelt und förmlich fest, erfreut über ihre rosigen Wangen und die Leichtigkeit ihrer Schritte. Sie trug ein fliederfarbenes Gewand seiner Schwester, das ihre schlanke Figur umspielte, nur den bestickten Saum zog sie wie eine Schleppe hinter sich her.
Emmeline wandte sich ihm zu und antwortete ihm ebenso förmlich. „Ja, ich habe mich dank der Pflege Eurer Schwester wieder völlig erholt.“ Die Frauen wechselten einen lächelnden Blick. „Nach zwei Tagen war ich wieder auf den Beinen.“
„Emmeline, ich brauche dich“, sagte Matilda. „Du musst die Wundränder zusammenhalten, damit ich die Wunde ordentlich nähen kann.“ Emmeline senkte den Blick auf die klaffende Wunde an seinem Schenkel und errötete heftig.
„Zier dich nicht“, schalt Matilda ungeduldig. „Willst du sein Bein retten oder nicht?“
„Ja, natürlich“, antwortete Emmeline scheu, holte tief Atem und legte die Finger auf die erhitzte Haut an der Wunde und bemühte sich, die Nähe seines Lendentuches zu übersehen, das seine Blößen bedeckte. Die Behaarung an seinem Bein kitzelte an ihren Handflächen. Sie hörte, wie er den Atem scharf einzog. „Tut das weh?“
„Nein“, antwortete er schroff. „Beeil dich bitte, Matilda!“ Wie sollte er den Sturm des Verlangens erklären, den Emmelines zarte Berührung in ihm auslöste? Er schloss die Augen und zwang sich, an etwas anderes zu denken, bis die Prozedur endlich vorüber war.
„Wie geht es unserem Schwerverletzten?“ Stephen streckte den Kopf durch die Zeltklappe.
„Ich lebe noch“, knurrte Talvas und zog die Beinkleider hoch.
Matilda verstaute ihre Leinensäckchen mit den Heilkräutern wieder in dem Lederbeutel. „Stephen, hier im Feldlager kann Talvas nicht gesund werden. Er muss nach Hause. Diese Belagerung muss endlich ein Ende haben.“
„Ich bin völlig deiner Meinung“, antwortete Stephen. „Es muss aufhören. Wir müssen das Brunnenwasser vergiften, und dafür gibt es nur eine Lösung.“
Talvas sprang zu heftig von der Pritsche auf und geriet ins Wanken. „Nein, Stephen, ich lasse es nicht zu!“
„Es gibt keine andere Lösung! Die Belagerung kann noch Monate dauern.“
„Aber …“ Talvas warf Emmeline einen finsteren Blick zu, der sie erschreckte.
„Was ist denn?“
„Wir brauchen jemand, der klein und wendig genug ist, um sich vom Wasser her Zugang zur Burg zu verschaffen“, erklärte der König. „Nach Einsetzen der Flut kann man zur steilen Nordwand rudern, den Felsen erklimmen und durch eine Öffnung ins Innere der Burg
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