Zwei Katzen unterm Weihnachtsbaum
Kris.
Sie hörte intensiv, doch völlig reglos zu, aber als sie zu einer Erwiderung ansetzen wollte, betrat Anja zusammen mit Ina den Raum.
»Nimoue«, bat sie. »Darf ich dir Peregrina Hummel vorstellen?«
Raufer verfolgte mit großen Augen, wie die Ehrwürdigste sich erhob und auf die alte Frau zuging. Mit einem vernehmlichen Schnurren wickelte sie sich um deren Beine und rieb dann den Kopf an ihrem Schienbein.
»Nimoue!«
Ina kniete mit einem kleinen Ächzen nieder und hielt der Weißen höflich die Finger entgegen.
»Wie schön du bist, Nimoue. Und wie liebevoll.«
»Das ist sie, nicht wahr?«, meinte Anja lächelnd. »Ich habe sie hergebracht, weil bei uns im Tierheim ein paar Fälle von Katzenschnupfen aufgetreten sind. Sie ist schon eine recht betagte Dame, und ich hatte gehofft, dass Kris und Raufer sie für ein paar Tage hier dulden würden. Oder vielleicht mögen Sie sich ein bisschen um sie kümmern, Ina?«
Raufer merkte, dass Ina kaum die Augen von der Ehrwürdigsten lassen konnte.
»Ein paar Tage, ja … Magst du, Nimoue?«
Die Ehrwürdigste willigte ein, und Raufer fühlte eine unerklärliche Freude in sich aufsteigen.
»Ich denke, damit ist das geregelt«, erklärte Anja.
»Das schon, Anja. Aber ich habe noch etwas zu erledigen, und dabei werden Sie mir jetzt helfen.«
»Aber gerne doch.«
»Kris ist ein netter Mann, aber wie alle Männer etwas nachlässig, wenn es darum geht, ein wenig Atmosphäre zu schaffen. Morgen ist der erste Advent, und ich habe einpaar Gestecke für sein Studio vorbereitet, weil die Kunden so etwas schätzen.«
»Die Raufer? Bestimmt?«
Ina lachte. »Er trainiert nicht nur seine jungen Haudegen. Es kommen viele Leute auch wegen der anderen Kurse zu ihm – Wirbelsäulengymnastik und Reha-Training und solche Sachen. Er ist ja ausgebildeter Sportpädagoge.«
»Oh – mhm.«
»Was hatten Sie denn gedacht?«
»Er hatte was von Personenschutz erzählt«, nuschelte Anja.
»Das hat er auch mal gemacht und einige Jahre als Stuntman gearbeitet. Vor vier Jahren hat er sich dabei eine böse Verletzung zugezogen und damit aufgehört. Aber anscheinend hat er während der Jahre gut verdient, und darum hat er dieses Studio hier unten aufgemacht.« Dann fügte Ina lächelnd hinzu: »Er ist ein Raufer, aber er hat auch seine vernünftigen Seiten.«
»Was ist mit seiner Familie?«
»Das, meine liebe, sehr neugierige Anja, habe ich ihn nie gefragt. Falls Sie wissen wollen, ob er eine Freundin hat, würde ich sagen, nein.«
»Ähm – äh.«
»Dacht ich es mir doch. Helfen Sie mir, unten ein paar Weihnachtsdekorationen anzubringen, und dann schmücken wir ihm die Wohnung auch noch ein wenig.«
»Im Studio ist das okay, Ina, aber glauben Sie, dass er es hier oben weihnachtlich haben will?«
»Ich frage ihn erst gar nicht. Aber vorher wollen wir den beiden Katzen noch ein Fest bereiten.«
Und das tat Ina dann auch. Nimoue lief ihr nach, als sie sich in Richtung Küche bewegte, und in respektvollem Abstand humpelte Raufer hinterher. Zwei Schüsseln mit weißem Zeug stellte Ina für sie auf den Futterplatz, und mit dem Vorrecht der Höchsten tauchte Nimoue sofort ihre Zunge hinein und schlappte laut die Flüssigkeit auf. Dann drehte sie sich um, und ihre Augen blitzten.
»Weißheit, Raufer. Auch für dich.«
»Darf ich wirklich, Ehrwürdigste?«
»Da steht eine zweite Portion, oder?«
»Echte Weißheit?«
»Die Menschen nennen es Sahne.«
Vorsichtig probierte Raufer das Weiße. Es roch göttlich, und es schmeckte göttlich. Noch nie in seinem Leben hatte er etwas so Köstliches zu sich genommen. In vollkommener Ekstase schleckte er die Sahne auf und putzte mit einem beseligten Schnurren seine Barthaare, um auch noch das letzte Molekül Weißheit in sich aufzunehmen.
Nimoue war in der Zwischenzeit durch die Räume gewandert und nickte anerkennend, als sie sich wieder neben seinem Korb einfand.
»Schönes großes Revier. Und ein wunderbarer Blick auf die Tauben.«
»Da unten, das war mal mein Revier«, erklärte Raufer, und Nimoue blickte in die angegebene Richtung.
»Vermisst du es?«
»Manchmal. Es hat ein Neuer meine Stelle eingenommen. Wird Ärger geben, wenn Kris mich wieder rauslässt.«
»Möglich. Wird er es tun?«
»Mich wieder rauslassen? Ich glaube ja. Er sagt, bis Weihnachten wären meine Pfoten wieder heil. Kannst du mir – mhm – in Menschendingen kenne ich mich nicht so aus, Ehrwürdigste …«
»Ich kann dir sagen, was Weihnachten ist, ja. Das
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