Zwei Mädels. Ein Weg. Ein Zelt.
Früh sind es dann bis in den nächsten Ort noch acht Kilometer. Die essensarmen Bedingungen missfallen mir und ich bitte Cornelia, dass wir unser Etappenziel um acht Kilometer bis nach San Justo de la Vega verlegen. Daraufhin entgegnet sie, dass sie es für keine gute Idee hält noch weitere zwei Stunden zu laufen und das die, zugegeben mageren, Vorräte ausreichend sind. Auf die Krisendiskussion folgt Cornelias Entschluss, weiter zu laufen und meine Forderung, hier doch schon zu stoppen. Conny möchte sich von mir nämlich keine Hungerklagen anhören müssen und ich will nicht über lahme Füße und schmerzende Gliedmaßen diskutieren. Wir zwei Dickschädel laufen also zum Ortsausgang. Weil meine beharrlichen Forderungen, das Zelt nun doch direkt aufzuschlagen, kein Gehör finden, trotte ich bockig hinter Conny her. Immer, wenn sie wartet und sich umdreht, schnäuze ich meine Nase, trinke Wasser oder verschwinde im Gebüsch. Wir benehmen uns wie zwei Kinder in der schlimmsten Trotzphase.
Das auch die größte Bock-Aktion etwas Gutes hat, erkennen wir am Ortseingang von San Justo de la Vega. Hier entdecken wir nämlich ein Werbeschild für das Hostal Juli, in dem eine Übernachtung nur sechs Euro kostet. Wir werden schnell fündig und feiern, im leeren Sechsbettzimmer inkl. Bad und Balkon, unsere Versöhnung. Sogar der Friedenskaffee in der anliegenden Bar ist wohlschmeckend und übertrifft die Plörre von heute morgen um Welten!
17. Pilgertag
ETAPPENZIEL: SANTA CATALINA DE SOMOZA
Nach einer erholsamen Nacht und einer heißen Dusche geht es heute, am 12. September, nach Santa Catalina de Somoza. Zuerst erreichen wir aber Astorga, die schönste Stadt bisher! Dieses Urteil fällt natürlich unabhängig der Tatsache, dass wir hier ein Schokoladenmuseum mit Kostproben besuchen. Wir sind zudem entzückt von dem niedlichen Rathausplatz, auf dem wir einen guten Milchkaffee schlürfen. Zu Cornelias Freude gibt es sogar einen Keks dazu. Das Highlight sind aber die „Mantecadas de Astorga“, kleine quadratische Butterkuchen, die beinahe von allein auf der Zunge zergehen. Vom Essen zur Kultur: Wir schlendern durch das römische Astorga zum Bischofspalast, der ein Werk des katalanischen Architekten „Antonio Gaudí“ ist. Wir holen uns einen Stempel für unseren Pilgerpass und verlassen das neugotische Bauwerk und die bezaubernde Stadt.
Nicht nur Astorga ernenne ich heute zu meinem Favoriten, sondern auch die Landschaft zwischen dem niedlichen Ort und dem Etappenziel. Die zum Teil eher karge Hügellandschaft mit den roten Lehmböden, fasziniert mich.
In der ungestörten Idylle schlagen wir irgendwann am frühen Abend dann auch wieder unser Zelt auf. Alles ist gut, bis ein Auto direkt an unserem Schlafplatz vorbeisaust. Das ist doch unfassbar! Wir zwei Strohköpfe sind querfeldein gelaufen, um unser Zelt dann direkt an einem Weg aufzuschlagen, ohne es zu bemerken. Das wir kurz vor der Reise zu einem erfolgreichen Studienabschluss beglückwünscht wurden, merkt man uns manchmal nicht an!
Was jetzt folgt, muss aus der Vogelperspektive urkomisch wirken: Wir schnappen uns zu zweit das Zelt und tragen es samt Inhalt über den Weg hinter den nächsten dichten Busch und kriechen wieder hinein. Schon verrückt, dass wir unsere Campingaktion so tapfer durchziehen. Auch wenn manchmal Hunde am Zelt schnüffeln, Stierwiesen in der Nähe sind, Motorradfahrer das Gelände unsicher machen und es ab und zu nach Gewitter aussieht, lieben wir aber unser preisgünstiges Minizelt und wollen es niemals dauerhaft gegen ein Bett in einer Herberge eintauschen. Wir genießen die frische Luft und die Natur, die Privatsphäre und vor allem: unsere Flexibilität und zeitliche Unabhängigkeit. Wenn unsere Körper morgens ausgeruht sind, laufen wir los. Wenn wir abends erschöpft sind, suchen wir uns einen Zeltplatz und gehen schlafen. So wie wir es eben wollen. Völlig unabhängig von dem Bettengehetze und den morgendlichen Rauswürfen aus den Herbergen. Wir leben genau unseren Rhythmus und finden dadurch zu uns und unserer inneren Uhr.
18. Pilgertag
ETAPPENZIEL: EL ACEBO
Nach einer gut versteckten Nacht geht es heute Morgen gegen 9:00 Uhr los. Das Zelt haben wir gerade zusammengefaltet und im Rucksack verstaut, als wir über etwas stolpern, das prima in eine Horror-Verfilmung passt. Da haben wir unser Natur-Lager erst noch in so hohen Tönen gelobt und entdecken jetzt, direkt neben unserem Schlafplatz, ein circa 20 Zentimeter großes
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