Zwei Seiten
ein Lächeln ab. Vielleicht sollten wir das Thema wechseln. »Äh, wolltest du schon immer Medizin studieren?«
Oliver schüttelte den Kopf. »Eigentlich wollte ich Biologie und Mathematik auf Lehramt studieren, aber als Julia sich für Medizin entschied, bin ich ihr gefolgt.«
»Wirklich?«
Oliver nickte.
Das war ja mal ein Hammer. War ihm seine Berufswahl so egal? »Warum?«
Oliver zuckte mit den Schultern. »Es schien einfach das Richtige zu sein. Und ich bin froh, dass ich mich so entschieden habe. Ich liebe die Medizin.«
In den folgenden zwei Stunden redeten wir über so ziemlich alles. Kindheit, Hobbys, alles, was uns so einfiel.
Ich mochte es, mich mit Oliver zu unterhalten. Knutschen und Fummeln brachte einen doch nicht näher. Reden schon.
* * *
Als ich hörte, wie die Wohnungstür aufgeschlossen wurde, verstummte ich, sprang aus Olivers Bett und riss die Zimmertür auf.
Julia hatte gerade ihre Jacke aufgehängt und schaute jetzt mit gerunzelter Stirn in meine Richtung.
Ich ging mit wenigen Schritten auf sie zu und schlang die Arme um sie.
Julia versteifte sich. »Ist alles in Ordnung, Scarlett? Ist irgendwas passiert?« Zögerlich legte Julia ihre Arme um mich.
»Alles okay.« Ich hielt sie ganz fest. Es tat mir so leid, was ihr passiert war. Ich atmete tief ein. Keine Ahnung, warum. Ich fühlte mich auf einmal so … geborgen. Geborgen? Ich riss die Augen auf, die ich wohl während der Umarmung geschlossen hatte, und löste mich von ihr.
In diesem Moment tauchte Oliver auf und lächelte uns an. »Ich habe Scarlett von dem Angriff auf dich erzählt.«
Julia hob eine Augenbraue.
»Vorm ›Blu‹.«
Julias Augen wurden zu Schlitzen. Sie sah erst Oliver an, dann mich. »Ich brauche kein Mitleid. Mir geht es jetzt gut. Oliver hatte kein Recht, dir von dieser Sache zu erzählen.«
Oliver senkte den Kopf.
»Mitleid?«, fragte ich. »Ich empfinde kein Mitleid für dich.«
»Ach nein?«
»Nein. Du weißt, was ich über deine Art zu leben denke. Aber das gibt niemandem das Recht, dich so zu behandeln.«
Julia öffnete den Mund, schloss ihn jedoch wieder, ohne etwas zu sagen.
Oliver schaute zwischen Julia und mir hin und her. Er legte die Hände auf meine Schultern und ich lehnte mich an ihn.
Julia stapfte den Gang runter. »Ich muss lernen.«
Au. Mensch, ich hatte, ohne es zu merken, auf meine Unterlippe gebissen. Mein Blick folgte Julia, bis sie in ihrem Zimmer verschwand. Anschließend nahm ich meine Jacke von der Garderobe und öffnete die Tür. »Ich geh jetzt besser.«
»Warum denn?«, fragte Oliver. »Wegen Julia?«
Ich drehte mich zu ihm und schüttelte den Kopf. »Es ist schon spät und ich muss auch noch lernen.«
Oliver nickte und küsste mich zum Abschied, bevor ich schweigend die Wohnung verließ.
* * *
Die Woche verging wie im Flug.
Oliver kam jeden Tag entweder zu mir oder ich zu ihm. In all der Zeit sah ich Julia nur einmal.
Aber da sprach sie keine zwei Worte mit mir.
Oliver und ich sprachen umso mehr.
Tatsächlich genoss ich unsere Unterhaltungen mehr als unser Kuscheln und Küssen. Nicht, dass er nicht gut darin war. Vielmehr war ich einfach nicht in der Stimmung dazu. Ich machte trotzdem immer etwas mit, um nicht den Eindruck entstehen zu lassen, ich sei nicht an ihm interessiert. Denn ich mochte es, Zeit mit ihm zu verbringen. Ehe ich mich versah, kam Freitag.
Wir wollten wieder alle zusammen ausgehen. Also alle, außer Anja. Die war in unserer Runde Persona non grata.
Zu meiner großen Überraschung tauchte Julia mit einer jungen Frau an ihrer Seite in der Bar auf. Ich beobachtete die Unbekannte eingehend. »Wer ist das?«, fragte ich flüsternd, um nicht von den anderen gehört zu werden.
»Das ist Miriam.« Oliver sprach ebenfalls leise. »Sie und Julia haben sich letzte Woche in einer Lerngruppe kennengelernt. Ich glaub, sie will was von Julia.«
Als ich die beiden Frauen miteinander beobachtete, wusste ich, was Oliver meinte.
Miriam strahlte Julia an, als wäre sie ein leckeres Stück Torte nach einer langen Diät.
Mir Julia mit einer anderen Frau vorzustellen, war ja schlimm genug. Aber diese Miriam passte so gar nicht zu ihr. So viel war schon mal sicher. Eingehend betrachtete ich Julias Begleitung. Braune Haare, braune Augen, sogar kleiner, dafür aber mindestens fünf Kilo schwerer als ich und eine halbe Tonne Make-up im Gesicht. Ohne auch nur ein Wort mit ihr gesprochen zu haben, war mir diese Miriam schon unsympathisch. Aber wie sollte ich mich
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