Zwei Seiten
verlagerte ihr Gewicht von einem Bein auf das andere. »Tust du mir den Gefallen?«
Ich schob die Ärmel meiner Bluse hoch und stapfte in die Damentoilette.
Miriam wusch sich gerade die Hände.
»Zwischen mir und Julia ist rein gar nichts.«
Miriam betrachtete mich, sagte aber nichts.
»Ich bin nicht«, pervers, abartig, fehlgeleitet, »lesbisch. Ich steh auf Männer. Und nur auf Männer.«
»Wie du meinst.«
»Und noch was.« Ich ging einen Schritt auf sie zu. »Für jemanden, der Julia erst seit Kurzem kennt, bist du verdammt …«
»Verdammt was?« Miriam kam einen Schritt näher.
Ich schüttelte den Kopf. »Diese Vorstellung ist lächerlich.« Als ob ich jemals mit einer Frau … ekelhaft.
Miriam hob eine Augenbraue.
»Wie kommst du auf so was Bescheuertes? Ich bin mit Oliver zusammen und … und außerdem hat Julia vor ein paar Minuten schließlich mit dir den Tonsillentango abgezogen. Also was w…«
»Was ich mit Julia tue, geht dich gar nichts an.« Miriam schaute zur Seite. Als sie mich wieder ansah, schmunzelte sie. »Andererseits kann ich dir dein Interesse an Julia nicht verübeln.«
Was? Hatte diese Schlampe den Verstand verloren? Ich wusste es: Homos waren alle krank und dachten, jeder um sie herum sei auch pervers.
»Du hast sie nicht mehr alle«, sagte ich und ging zum Ausgang.
»So wie du Julia ansiehst, braucht man kein Gaydar, um zu merken, dass du nicht nur auf Männer stehst.«
Ich wirbelte zu ihr herum. »Spinnst du? Ich schau Julia ganz normal an.« Ich kniff die Augen zusammen. »Und was zur Hölle ist ein Gaydar?«
Miriam grinste. »Du stehst auch auf Frauen. Gib‘s doch zu.«
»Und du kennst mich natürlich, nach einem Abend, ohne drei Worte mit mir gesprochen zu haben.«
Dann passierte es: Miriam kam mit wenigen Schritten auf mich zu, nahm mein Gesicht in die Hände und küsste mich auf den Mund.
Ich versuchte, mich loszureißen, doch sie war stärker. Gott, oh Gott!
»Lass sie los!«
Miriam ließ von mir ab.
Ich strauchelte etwas, konnte mich aber irgendwie in Julias Arme retten. Ich konnte nicht fassen, was hier gerade passiert war. Diese Perverse hatte mich angegriffen. Ich zitterte am ganzen Leib und hatte das Gefühl, nicht atmen zu können.
»Nun flipp mal nicht aus«, sagte Miriam. »Wollte bloß mal sehen, wie sie reagiert. So wie sie dich den ganzen Abend ange…«
»Miriam, es ist genug jetzt«, zischte Julia. »Du kannst nicht einfach durch die Gegend laufen und Frauen gegen ihren Willen küssen. Was dachtest du, was passiert?« Julia rollte mit den Augen. »Hast du erwartet, sie erwidert den Kuss und bedankt sich dafür, dass du ihr die Augen geöffnet hast?«
Miriam öffnete den Mund, doch Julia hob die Hand. »Verschwinde.« Als Miriam nicht reagierte, schrie Julia: »Raus hier.«
Miriam schaute einen langen Moment ungläubig zu Julia und anschließend mit zusammengekniffenen Augen zu mir. »Ich hoffe, ihr werdet glücklich miteinander.« An uns vorbeigehend, warf sie mir einen kurzen Blick zu. »Schlampe.«
Julia trat einen Schritt auf Miriam zu, doch ich hielt sie am Arm zurück. »Lass sie.«
Kaum waren wir allein, sagte Julia: »Es tut mir leid.«
Ich tätschelte ihr den Arm und holte tief Luft. »Danke für deine Hilfe.«
Julia lächelte mich etwas angestrengt an.
»Ich möchte nach Hause gehen«, sagte ich mit heiserer Stimme.
Julia nickte und gemeinsam machten wir uns auf die Suche nach Oliver.
Ich nahm instinktiv Julias Hand. Ich fühlte mich nach Miriams Angriff sicherer so. Julia beschützte mich.
* * *
Nachdem mich Oliver zu Hause abgeliefert hatte, ging ich erst mal ins Bad. Ich musste duschen. Vielleicht würde ich so dieses schmutzige Gefühl loswerden. Ständig wiederholten sich diese furchtbaren Sekunden auf der Toilette in meinem Kopf. Wie hatte Miriam es wagen können, mich anzugreifen?
Beim Einstellen der Wassertemperatur bemerkte ich, dass meine Hände immer noch zitterten. So eine Schlampe. Ich spülte mir mehrfach den Mund aus. Das heiße Wasser prasselte auf meine Schultern und löste langsam meine verkrampften Muskeln. Eigentlich hatte mich der Abend doch bloß in dem bestätigt, was ich über Homos dachte.
Doch was war mit Julia? Sie war mir zu Hilfe geeilt. Gott sei Dank war sie genau im richtigen Moment hereingekommen. Und der Abend, an dem ich, äh, Magenprobleme hatte. Auch da war sie für mich da gewesen. Julia … vor einer Woche hätte ich sie nicht mal mit der Kneifzange angefasst und jetzt war sie fast
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