Zwei Seiten
Aus dem anfänglichen Blau war ein Lila mit einzelnen Grün- und Gelbtupfern geworden.
»Sagst du mir jetzt, wie es dir geht?«
Julia betrachtete intensiv den Kochlöffel, mit dem sie die Suppe umrührte. »Ganz gut. Isst du mit uns?«
Wie konnte ich bei diesem Essen Nein sagen? »Sicher.«
Sie stellte drei Teller auf den Tisch, und ich verteilte sie. Anschließend ging ich zur Schublade und holte Löffel raus, während Julia Servietten hinlegte.
»Freust du dich schon aufs Wochenende?«, fragte ich.
Julia streifte mich mit einem Blick, sagte aber nichts.
Ich setzte mich hin und starrte sie an. Was war hier los? »Willst du nicht mit mir nach Sylt fliegen? Hat der Arzt vielleicht gemeint, es wäre keine gute Idee?«
Julia seufzte. Dann schaltete sie den Herd aus und setzte sich zu mir an den Tisch. »Das ist es nicht.«
»Was dann?« Ich konnte nicht verhindern, ärgerlich zu klingen.
Julia holte tief Luft. »Ich mag es nicht, wenn andere über meinen Kopf hinweg entscheiden.«
»Was meinst du?«
»Ich meine, mir wurde am Dienstag verkündet, dass für dich und mich Flüge nach Sylt gebucht wurden und ich Freitag bis Sonntag mit dir im Strandhaus verbringen werde.«
»Was? Willst du mir sagen, Oliver und deine Eltern haben den Flug gebucht, ohne dich vorher zu fragen?«
Julia nickte.
»Warum?«
»Ich schätze, weil sie wussten, dass ich Nein gesagt hätte, wenn sie mich gefragt hätten.«
»Entschuldige, wenn ich mich wiederhole, aber warum?«
Julia schwieg eine ganze Weile. Irgendwann schüttelte sie langsam den Kopf. »Ich will einfach nur in meinem Zimmer sein und in Ruhe gelassen werden.«
»Du schottest dich viel zu sehr von der Welt ab.«
»Seit wann geht dich das was an?« Julia stand ruckartig auf und stapfte wieder zum Herd.
Ich zuckte zusammen.
Sie nahm nacheinander die Teller und füllte sie.
Ich wusste beim besten Willen nicht, was ich sagen sollte. Sie konnte wirklich verletzend sein. Ich stand auf, um hier zu verschwinden und Oliver Bescheid zu sagen, dass das Essen fertig war. Aber bevor ich die Küche verließ, drehte ich mich noch mal zu Julia. »Weißt du, Oliver sagte mir, du hättest keine richtigen Freunde. Ich konnte es mir nicht erklären. Du kannst so nett sein. Der eine Samstag mit dir hat mir richtig Spaß gemacht. Aber wenn du so bist wie jetzt … Ich muss dir leider sagen, du bist gerade unausstehlich.« Ohne auf eine Antwort zu warten, verließ ich die Küche.
Oliver und ich kamen einige Augenblicke später wieder in die Küche, doch Julia war nirgendwo zu sehen.
Wir setzten uns und warteten.
Als Julia nicht wiederkam, sah Oliver mich an. »Wo ist Julia? Ihre Suppe wird kalt.«
Ich stand auf und klopfte ihm auf die Schulter. »Wir hatten einen kleinen Streit. Ich rede besser mit ihr.«
»Wenn ihr euch gestritten habt, lass sie lieber in Ruhe. Sie muss dann erst mal runterkommen. Worum ging es denn?«
»Warum habt ihr die Flüge gebucht, ohne sie zu fragen? Sie will nicht gehen.«
Oliver runzelte die Stirn. »Hat sie das gesagt?«
Ich nickte. »Stimmt das etwa nicht?«
»Ja, schon. Aber wenn sie erst mal da ist, sieht sie es sicher anders. Julia braucht einen Tapetenwechsel, und ich weiß, sie mag dich. Also mach dir keine Gedanken darüber.«
Ich teilte seine Meinung nicht. Ich war hin- und hergerissen. Sie war vermutlich in ihrem Zimmer. Vielleicht sollte ich …
In diesem Moment tauchte Julia wieder in der Küche auf und setzte sich an den Tisch.
Ich nahm auch wieder Platz.
»Guten Appetit«, sagte Julia, während sie auf ihren Teller starrte.
»Gleichfalls«, antworteten Oliver und ich.
Julia räusperte sich. »Daniel kommt morgen um halb zwei hierhin und bringt uns zum Flughafen.«
Ich nickte. Damit war das Thema erledigt. Ich würde morgen mit Julia in den Kurzurlaub fliegen.
Kapitel 10
Ich presste die Fingerspitzen gegen das kalte Glas und sah hinaus auf die Nordsee. »Willst du den Sonnenuntergang vom Strand aus sehen?«
Julia schaute vom Kamin auf. »Ich weiß was Besseres.«
War das gerade ein Lächeln in ihrem Gesicht?
Sie eilte mit mir die Treppe hoch.
Neben dem Schlafzimmer befand sich zur Meerseite hin ein weiterer Raum, in dem ich bisher nicht gewesen war. Zwei kleine Tischchen flankierten eine Couch. Ein deckenhohes Bücherregal und ein Kamin spiegelten sich in der Glasfront.
Julia führte mich zur Couch und feuerte den Kamin an. »Möchtest du einen Kakao?«
Ich nickte, während mich der atemberaubende Ausblick in seinen Bann
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