Zwei Seiten
über den Arm. Danach schob ich vorsichtig zwei Finger in den Ärmel des verletzten Arms. Ich zog den BH heraus und hielt ihn wie eine Trophäe hoch. Gott sei Dank hatte ich Julia nicht wehgetan.
Sie nahm den BH an sich. »Noch mal danke, Scarlett.«
Wer hätte gedacht, dass Julia so rot im Gesicht werden konnte?
»Keine Ursache.«
Nachdem Julia auch ihre Hose ausgezogen hatte, kuschelte sie sich unter die Bettdecke.
Oliver nahm am Bettrand Platz, und beide begannen zu essen, während Julia genau erzählte, was passiert war.
Ich fühlte mich wie ein Eindringling und ging zur Tür.
Julia blickte auf. »Scarlett, du musst nicht gehen.«
»Ich weiß, aber ihr redet jetzt am besten ganz in Ruhe. Oliver, ich geh in dein Zimmer, okay?«
Mein Freund nickte und nahm einen weiteren großen Bissen von seinem Sandwich.
Bevor ich den Raum verließ, schaute ich noch einmal zu den beiden.
Oliver hielt Julias Hand. Sie schienen einander so nahe zu sein. Ich wünschte in diesem Moment, ich hätte auch einen Bruder oder eine Schwester gehabt.
* * *
Oliver kam etwa eine halbe Stunde später in sein Zimmer.
»Wie geht‘s ihr?«, fragte ich.
Oliver legte sich neben mich aufs Bett und schloss mich lose in die Arme. »Sie ist ziemlich durchgeschüttelt. Wem würde es nicht so gehen?«
»Es ist wohl besser, wenn du bei ihr bleibst. Ich kann ja nach …«
»Nein. Sie ist gerade eingeschlafen. Ein bisschen Schlaf ist genau das Richtige für sie.«
Da kam mir eine Idee. »Oliver, warum fragst du nicht deine Eltern, ob sie Julia einen Flug nach Sylt fürs Wochenende spendieren? Ich fand es da so erholsam, und vielleicht wäre es genau das, was sie jetzt braucht.«
»Ich weiß nicht, ob sie das wollen würde, aber ein bisschen Abstand von allem könnte sicher nicht schaden.«
Ich lächelte, zufrieden mit mir selbst.
»Aber …«
Was denn nun? »Was?«
»Ich möchte nicht, dass sie allein hinfliegt.«
Ich tätschelte ihm den Arm. »Flieg doch einfach mit.«
»Würde ich ja gerne, aber mein Kumpel Marek zieht am Samstag um, und ich soll den Transporter fahren, weil ich der Einzige bin, der das schon mal gemacht hat.«
»Dann kann sie mit einer ihrer Freundinnen fliegen.«
»Welche Freundinnen?«
»Was meinst du?«
»Julia ist mit ihren Büchern befreundet. Erinnerst du dich, als ich sagte, sie würde nicht nach der Frau fürs Leben suchen?«
Ich nickte.
»Nach Freundschaften sucht sie auch nicht wirklich.«
Hatte ich das richtig verstanden? »Meinst du damit, Julia hat keine Freunde?«
»Bestenfalls ein paar Bekannte, aber niemand, den man mit in einen Kurzurlaub nehmen würde.« Er grinste. »Dir hat es doch so gut da gefallen. Leiste du ihr doch Gesellschaft.«
Ich? Allein mit Julia? Für drei Tage? »Ich weiß nicht so recht.«
Oliver kitzelte mich. »Ich weiß aus sicherer Quelle, dass du am Wochenende freihast. Wo ist also das Problem?«
Mein Herz raste, und das nicht nur, weil Oliver mich kitzelte. Einerseits war der Gedanke, so bald wieder auf Sylt zu sein, verlockend. Andererseits kam es mir merkwürdig vor, ganz allein mit Julia zu fliegen. Ach … warum eigentlich nicht? Julia würde ja vermutlich sowieso nicht wollen. »Wenn sie einverstanden ist, komme ich mit.«
Oliver strahlte wie ein Honigkuchenpferd und streckte mir die Hand entgegen. »Deal.«
* * *
Als ich am Donnerstag nach der Arbeit bei Oliver vorbeiging und etwas Würziges roch, wusste ich sofort, dass Julia am Kochen war.
Oliver begrüßte mich mit einem Kuss.
»Sie sollte im Bett liegen und sich erholen, anstatt in der Küche zu stehen und zu kochen.«
Oliver hob abwehrend die Hände. »Sag das nicht mir. Ich wollte was kommen lassen.«
Ich schaute ihn mit finsterer Miene an. Bloß keinen Finger krumm machen. »Ich schau mal kurz nach ihr.«
Oliver nickte und verschwand in seinem Zimmer.
»Hey«, sagte ich, als ich die Küche betrat.
Julia tunkte einen Teelöffel in einen großen Topf und hielt ihn mir hin. »Hi. Probier mal. Ich bin mir nicht ganz sicher, ob es so in Ordnung ist.«
Ich trat näher und ließ Julia den Löffel in meinen Mund schieben. »Mmh, Gott, ist das lecker. Ist das …?«
»Kartoffelsuppe.«
Also eine Sache war sicher: Julia war eine verdammt gute Köchin. Das war die mit Abstand leckerste Kartoffelsuppe, die ich je probiert hatte. Ich betrachtete Julia eingehend.
Sie blinzelte öfter als sonst, aber die Schwellung auf der Stirn war etwas zurückgegangen. Die Farbe hatte sich allerdings verändert.
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