Zwei Seiten
runzelte die Stirn. »Warum?«
»Na, wenn wir das nächste Mal fahren, kommst du doch hoffentlich mit.«
»Vielleicht.«
»Kein Vielleicht. Mit dir wäre es noch schöner gewesen.« Meine Worte erstaunten mich, aber ich meinte es ernst.
Julias Mundwinkel zuckten und formten ein zaghaftes Lächeln.
Ich holte tief Luft. »Aber jetzt hat mich erst mal der Ernst des Lebens wieder. Zwei Wochen bis Semesterbeginn und ich bin vollkommen pleite. Ich hab heute Vormittag Cafés abgeklappert, um ‘nen Job als Kellnerin zu finden. Da bekomme ich wenigstens jeden Tag Trinkgeld. Aber die scheinen im Moment nirgendwo zu suchen.«
Julia betrachtete mich nachdenklich. Nach ein paar Sekunden wurde ein breites Grinsen draus. »Gegenüber vom Krankenhaus ist ein kleines Stehcafé. Hauptsächlich verkehrt da Klinikpersonal. Die haben superleckere Snacks. Mein Favorit ist das Tomaten-Mozzarella Sandwich.«
»Klingt lecker, aber was hat das mit mir zu tun?«
»Regina, eine der Mitarbeiterinnen, hat sich das Bein gebrochen und fällt für die nächsten Wochen aus. Die suchen ganz verzweifelt nach einer Aushilfe.«
Wenn das Leben ein Comic gewesen wäre, hätte man in meinen Augen jetzt wahrscheinlich Dollarzeichen gesehen. »Wann machen die auf?«
»Die müssten gerade geöffnet haben, wenn ich mich nicht irre.«
Ich sprang auf. »Ich geh schnell, bevor mir jemand den Job vor der Nase wegschnappt.«
»Viel Glück«, sagte Julia, als ich schon halb aus der Tür war.
Ich wirbelte herum, ging mit großen Schritten zurück und schloss Julia in die Arme. Anschließend eilte ich zu Oliver, um ihm Bescheid zu sagen.
* * *
Eine knappe Dreiviertelstunde später gehörte ich wieder zur arbeitenden Bevölkerung.
»Du kannst bei Julia mitfahren, wenn du morgen früh anfängst«, sagte Oliver, während er vor dem Café wendete. »Sie hat das Auto jetzt immer, um zur Arbeit zu kommen.«
»Gute Idee. Ich frag sie, sobald wir zurück sind.« Dies war der perfekte Moment, ihn auf Julia anzusprechen. »Sag mal, hast du eine Ahnung, was mit ihr los ist?«
Oliver seufzte.
»Hast du?«
»Ich hab versucht, mit ihr zu reden, aber sie hat abgeblockt. Hattest du Erfolg?«
Ich ließ den Atem langsam entweichen. »Sie hat nicht viel gesagt, aber ich glaube trotzdem, sie hat sich ein bisschen geöffnet.«
»Wie das?«
Ich war mir nicht sicher, ob ich Oliver sagen sollte, dass Julia geweint hatte. Er war zwar ihr Zwillingsbruder, aber dennoch fühlte es sich nicht richtig an, ihm davon zu erzählen. »Weiß auch nicht.«
Den Rest der Fahrt schwiegen wir.
* * *
»Du scheinst ganz schön nervös zu sein.« Julia sprach, ohne den Blick von der Straße abzuwenden. Sie brachte es auf den Punkt.
Ich rutschte auf dem Beifahrersitz herum. »Der erste Arbeitstag ist irgendwie wie das erste Mal, findest du nicht?«
Julia parkte vor dem Café und hob eine Augenbraue.
»Na ja, man weiß schon, was einen erwartet, aber halt nicht genau. Man kann sich blamieren und weiß nie, ob es wirklich ein zweites Mal gibt.«
Julia begann zu lachen.
Nach kurzem Zögern stimmte ich in ihr Gelächter mit ein.
Ich wollte gerade aus ihrem Auto aussteigen, da umarmte Julia mich. »Viel Glück bei deinem ersten Mal.«
* * *
Julia war um halb fünf immer noch nicht im Café. Dabei hatten wir uns für sechzehn Uhr verabredet. Ich machte mir Sorgen und beschloss, sie auf ihrer Station abzuholen. Erst fragte ich an der Information und dann machte mich auf den Weg. Auf der Station ging ich zum Schwesternzimmer und fragte nach Julia.
»Woher kennen Sie Frau Liebknecht?«, fragte eine dunkelblonde Schwester.
»Ich bin eine Freundin. Wir waren verabredet und sie ist nicht aufgetaucht.«
Die Schwester nickte. »Ich bringe Sie zu ihr. Sie ist in der Notaufnahme.«
»In der Notaufnahme? Was macht sie denn da? Ich dachte sie arbeitet hier.«
Wir gingen gemeinsam den Gang herunter.
»Ein Patient hat sie angegriffen.«
»Angegriffen?«
Sie berührte mich am Arm. »Es ist nicht allzu ernst. Sie braucht wohl nur ein paar Stiche.«
»Stiche?«
»Am besten erzählt Frau Liebknecht Ihnen die Geschichte selbst.«
Warum sagte sie mir nicht einfach, wie es Julia ging?
Irgendwann erreichten wir endlich die Notaufnahme.
Mit der Schwester an meiner Seite konnte ich direkt in einen der Behandlungsräume durchgehen.
Da lag Julia auf einer Liege, und ein Arzt war über sie gebeugt.
»Frau Liebknecht, da ist jemand für Sie«, sagte die Schwester, tätschelte erneut meinen Arm
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