Zwei Seiten
Wenn ich dir irgendwas erklären soll, ich bin da drüben.« Er zeigte zu einem dieser Folterinstrumente zum Muskelaufbau.
Mein Blick wanderte vom Gerät zu Julia. »Danke, aber ich hab schon jemanden, der mir alles zeigt.« Als ich Holger wieder ansah, hatte der merkwürdigerweise die Stirn gerunzelt.
Er hob die Hände. »Oh, alles klar. Verstehe.« Er betrachtete erst Julia, anschließend mich. »Aber wenn du deine Meinung änderst, komm ruhig vorbei.«
Ich lächelte und berührte ihn am Arm. »Danke, das ist lieb. Bis dann.«
Holger nickte und schlenderte zu einem Gerät.
Ich schaute ihm einen Augenblick nach und schüttelte den Kopf über mich selbst. Noch vor einigen Wochen hätte ich mich als Single vermutlich auf ihn gestürzt wie ein Ertrinkender auf einen Rettungsring. Er war in meinem Alter, hatte einen tollen Körper, sah gut aus und schien nett zu sein. Ich war definitiv dabei, mich zu verändern. Und die Richtung gefiel mir.
* * *
Wenige Minuten später verließ Julia das Laufband und wischte sich mit ihrem Handtuch Schweiß aus dem Gesicht.
»Und jetzt?«, fragte ich. Wollte ich die Antwort wirklich wissen? Ich war echt platt.
»Duschen.« Mit großen Schritten ging sie zu den Umkleiden.
Ich rührte mich nicht vom Fleck. War das nur in meinem Kopf oder hörte ich gerade laut und deutlich einen Alarmton? Ich und Julia sollten jetzt gemeinsam duschen? Oh … mein … Gott. Wieso hatte ich bloß zugestimmt, mit ins Fitnessstudio zu kommen? Ich eilte hinter ihr her. »Ähm, ich schätze, ich dusche zu Hause.« Ja, das klang gut.
Am Eingang der Umkleide hielt Julia die Tür für mich auf. »Scarlett, keine Sorge. Es ist zwar eine Gemeinschaftsdusche, aber wir können nacheinander duschen, wenn du möchtest.«
Jetzt fühlte ich mich schäbig. Wieso konnte ich nicht einfach vergessen, dass Julia auf Frauen stand? Sie hatte mich schon einmal nackt gesehen und sich sofort weggedreht. Und bei Nathalie hätte es mich ja auch nicht gestört, zusammen zu duschen. Oder? Ich schüttelte den Kopf. Das war doch jetzt egal. Die Frage war, ob ich wirklich mit Julia in einer Dusche stehen konnte. Und die Antwort war ein klares Nein. So sehr ich mir wünschte, die Sache besser händeln zu können, ich konnte das nicht. »Okay. Du zuerst, wenn du möchtest.«
Julia nickte. Sie öffnete ihren Spind und holte ein Badetuch und Badelatschen heraus. Dann noch Shampoo und Duschgel. Anschließend setzte Julia sich auf die lange Sitzbank vorm Spind und zog die Schuhe aus. Es folgte ihre Hose.
Ich stand wie zur Salzsäule erstarrt da und gaffte sie an.
Mitten in der Bewegung, sich das T-Shirt über den Kopf zu ziehen, stoppte Julia und schaute mich an.
Ich drehte mich weg und fixierte den Blick auf die Spinde vor mir. Mir schlug das Herz bis zum Hals.
Nach einigem Rascheln sagte Julia: »Bin gleich wieder da.«
»Okay.« Als ich mich umsah, konnte ich sehen, wie Julia gerade in der Dusche verschwand. Ich zog mich hastig aus und wickelte ein Badetuch um mich. Bewaffnet mit Shampoo und Duschgel, stand ich bereit.
Mit nassen Haaren und einem Badetuch um den Körper gewickelt, kam Julia wenige Minuten später aus der Dusche. Sie machte wohl eine falsche Bewegung. Jedenfalls löste sich ihr provisorischer Knoten an dem Badetuch und es fiel zu Boden. Julia bekam es nicht mehr rechtzeitig zu fassen und da stand sie nun vor mir, vollkommen nackt.
Ich sah alles. Absolut alles. Mein Mund klappte auf und mir wurde schwindelig. Ich konnte die Augen einfach nicht abwenden.
Julia hatte kein Gramm Fett zu viel, und ihr ganzer Körper war durchtrainiert. Die Arme, die Beine, der Bauch mit einem sich leicht abzeichnenden Sixpack. Diese Frau war nicht von dieser Welt.
Julia bückte sich hektisch, um das nasse Badetuch wieder um sich zu wickeln. Ihre Finger krampften sich darum, als ob es ein Schild wäre. Julias Gesicht war knallrot.
Meines vermutlich auch, denn meine Wangen brannten wie Feuer. Erst jetzt wurde ich im Kopf wieder klar. Ich räusperte mich und murmelte: »Es tut mir leid. Ich … ich hab zufällig in deine Richtung geschaut und … und du bist echt total gut trainiert.«
Julias Gesicht nahm einen noch dunkleren Rot-Ton an. Sie schaute überall hin, bloß nicht zu mir.
Bevor ich irgendetwas Dummes sagen oder tun konnte, beschloss ich, duschen zu gehen.
Als ich wiederkam, sicher in mein Badetuch gewickelt, stand Julia vollständig bekleidet und mit ihrer Trainingstasche in der Hand vor mir. »Ich warte draußen.
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