Zwei Seiten
das Recht, dich so anzugreifen.«
»Ich weiß nicht.«
»Ich aber. Du tust alles für ihn und so dankt er es dir.«
Julia schüttelte den Kopf. »Er war immer ziemlich sensibel.«
»Und was ist mit dir?«, fragte ich. »Du bist auch sensibel. Aber der Unterschied zwischen dir und Oliver ist, du lässt dich nicht gehen. Die letzte Zeit war nicht leicht für dich. Miriam, Dido, der Beginn deiner Arbeit im Krankenhaus und der Angriff auf dich. Ganz ehrlich, ich weiß nicht, ob ich das alles so gut weggesteckt hätte.« Ich atmete tief ein. »Oliver sollte jetzt an deiner Seite stehen und dich unterstützen. Stattdessen beschuldigt er dich, sein Vertrauen missbraucht zu haben, und sagt gemeine Dinge zu dir.«
»Er hat mich Schlampe genannt«, sagte Julia mit zittriger Stimme.
Ich sah sie fassungslos an. »Wann?«
»Als ich vorhin kurz oben war.«
Ich ballte meine Hände zu Fäusten. Hätte Oliver in diesem Augenblick vor mir gestanden, ich hätte ihm in die Kronjuwelen getreten. Ich beugte mich zu Julia vor und schloss sie in die Arme.
In dem Moment begann Julia zu weinen.
Nathalie betrat zeitgleich das Wohnzimmer.
Unsere Blicke trafen sich.
Sie schaute mitfühlend zu Julia und bewegte den Mund, um »gute Nacht« zu sagen.
Dann waren Julia und ich wieder allein.
Etwas ungeschickt platzierte ich die Füße unter meinem Körper und zog die Decke über uns.
Ich begann, sanft Julias Kopf zu streicheln, und sie hörte schließlich auf zu weinen. Schwer zu sagen, wie lange wir da saßen, aber irgendwann schlief sie ein.
Vorsichtig löste ich mich von ihr.
Sie rutschte daraufhin in eine liegende Position.
Ich hob Julias Füße auf die Couch und deckte sie zu. Behutsam strich ich ihr eine Haarsträhne aus dem Gesicht und ging in mein Zimmer.
Kapitel 14
Julia und ich sprachen kaum auf dem Weg zur Arbeit.
Immer wieder wanderte Julias Blick zum Wackelskelett auf dem Armaturenbrett. Sie hatte mir mal ganz stolz erzählt, dass ihr Oliver das Wackel-Elvis-Pendant zum Bestehen des Physikums im Studium geschenkt hatte.
Ohne Zweifel waren Julias Gedanken bei diesem Idioten.
Es war erst die zweite Woche, in der wir zusammen zur Arbeit fuhren, und in dieser Zeit war Julia ja sogar ein paar Tage krank gewesen. Aber trotzdem hatte ich mich an unsere lebhaften Unterhaltungen und unsere Scherze und Kameraderie gewöhnt.
Doch heute schaute Julia selbst beim Verabschieden nur kurz auf und winkte, bevor sie mit hängenden Schultern in der Klinik verschwand.
Ich war so unglaublich wütend auf Oliver. Wie hatte ich mich so in ihm täuschen können?
* * *
Als meine Schicht zu Ende war, ging ich zu Julia auf die Station und brachte ihr ein Sandwich vorbei.
Sie sprach gerade mit einem Patienten auf dem Gang.
Der Mann, vielleicht Mitte oder Ende fünfzig, blickte sie traurig an.
Julia berührte ihn sanft an der Schulter und sagte leise etwas zu ihm.
Daraufhin lächelte der Mann. Dann hörte ich, wie er sagte: »Danke. Vielen Dank.« Er drehte sich um und verschwand in einem Zimmer.
Julia strahlte mich an und kam auf mich zu.
Der weiße Arztkittel stand ihr wirklich gut. Der Kontrast zu ihren langen, schwarzen Haaren und den blauen Augen sah umwerfend aus. Keine Ahnung, was das damit zu tun hatte, aber ich wusste in diesem Moment, dass sie eine gute Ärztin werden würde.
»Du bist aber früh dran«, sagte Julia.
»Ich habe dir ein Sandwich mitgebracht.«
»Willst du mich mästen?« Julia grinste und klopfte auf ihren flachen Bauch.
»Du gehst dreimal pro Woche ins Fitnessstudio und manchmal zusätzlich am Wochenende«, sagte ich. »Ich könnte dir jeden Tag Pommes-Currywurst mitbringen, und du würdest nicht dick werden.«
Julia wich meinem Blick aus. »Also … was sind deine Pläne für heute Nachmittag?«
»Weiß nicht.« Wenn ich ehrlich war, hatte ich gehofft, etwas mit Julia zu machen. Ich wollte sie aufheitern.
»Jetzt, wo du es erwähnst«, sagte Julia. »Heute ist wieder Zeit zum Schwitzen. Wenn du willst, kannst du ja mitkommen.«
Nicht doch. »Äh, geht das so einfach?«
»Klar. Ich sag, du überlegst, beizutreten, und ich will dir alles zeigen.«
Meine Begeisterung hielt sich in Grenzen. Ich war nie der sportliche Typ gewesen. Andererseits hatte ich auch nicht wirklich was Besseres vor, und so konnte ich Julia vielleicht ablenken, damit sie nicht so viel an Oliver dachte. Was tat ich nicht alles für unsere Freundschaft? »Okay.«
* * *
Der Plan war, erst zu Julias und danach zu meiner Wohnung zu
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