Zwei Seiten
Tochter eine Wohnung zu teilen? Isst sie nach wie vor so ungesund und räumt nie auf?«
Warum jetzt der plötzliche Themenwechsel? Und stopp mal, was hatte sie gerade gesagt? »Das sind bösartige Unterstellungen«, grummelte ich.
Alle Beteiligten grinsten.
»Also von Unordnung bekomme ich nichts mit, und ungesund ernähren tut sie sich eigentlich auch nicht.«
Julia und ich warfen einander verschwörerische Blicke zu.
Meine Mutter beobachtete uns. »Soll das heißen, sie isst endlich gesund? Julia, sag nicht, du kochst für sie.«
»Na ja …« Julia schaute zu Boden. »Manchmal.«
Was für eine Untertreibung.
Nach einer Pause fügte Julia hinzu: »Aber oft kochen wir auch zusammen.«
Mama runzelte die Stirn. »Du lässt Scarlett in die Küche? Kind, du bist ein ziemlich risikoliebender Mensch, was?«
Julia kicherte.
Gleichzeitig wurden meine Augen zu Schlitzen.
Julias Mundwinkel zuckten als müsste sie sich ein Grinsen verkneifen, bevor sie meine Mutter mit aufrichtigem Gesichtsausdruck ansah. »Frau Winter, ob Sie es glauben oder nicht, Scarlett hat nach geringfügigen Anfangsschwierigkeiten eine Menge gelernt und kommt jetzt gut in der Küche zurecht.«
Ich blinzelte. Geringfügige Anfangsschwierigkeiten? Und was war zum Beispiel mit dem Waffeleisendebakel?
Das Telefon klingelte und ich schaute vom Waffeleisen auf, dessen Licht ich seit etwa zwei Minuten genauestens beobachtete. Diesmal würde mir nichts anbrennen.
»Scarlett, Telefon«, rief Julia aus dem Bad. War sie mit ihrer Dusche etwa schon fertig?
»Gehe schon«, antwortete ich so laut ich konnte und machte einen Schritt auf den Küchentisch zu, auf dem das Telefon lag. Ich rutschte auf einer Pfütze verschütteten Teigs aus und fiel. Instinktiv griff ich nach dem nächstbesten Halt. Noch im Flug riss ich die Augen auf, als ich realisierte, was ich da zu fassen bekommen hatte: das Kabel des Waffeleisens. Alles lief wie in Zeitlupe ab: Das Waffeleisen flog durch die Luft, die fast fertige Waffel wirbelte aus dem Eisen heraus und …
»Scarlett, das Telefo… ahhh!« Julia, im Türrahmen stehend, bekam die heiße Waffel ins Gesicht und schrie laut auf.
Gleichzeitig hörte ich einen lauten Knall, begleitet von einem Klirren, und mein Hinterkopf schlug auf dem Fliesenboden auf.
Mit knallrotem Gesicht starrte Julia erst auf mich und dann zur Quelle des lauten Geräusches.
Ich folgte ihrem Blick. Das Waffeleisen war in der Mikrowelle gelandet und hatte die Tür demoliert.
Das Telefonklingeln unterbrach die plötzliche Stille.
»Scarlett?« Julia legte ihre Hand kurz auf mein Knie, grinste und zwinkerte mir zu.
Ich schüttelte den Kopf. Die heiße Waffel hatte Julia Gott sei Dank nicht ernsthaft verbrannt. Trotzdem … wie konnte Julia behaupten, ich wäre irgendetwas Anderes als eine Katastrophe in der Küche?
»Schatz, warum schüttelst du den Kopf?«, fragte meine Mutter.
»Ach, nichts«, sagte ich. »Mir ist bloß gerade was eingefallen. Worüber haben wir noch mal geredet?«
»Deine Kochkünste, mein Schatz.«
»Sie kann einfache Rezepte ohne Probleme alleine kochen«, sagte Julia.
Mama beäugte mich. Schließlich nickte sie.
»Und ich gehe sogar seit ein paar Wochen ins Fitnessstudio.« Der Stolz in meiner Stimme war deutlich zu hören.
Der Mund meiner Mutter klappte auf. »Wirklich?«
Julia und ich wippten mit den Köpfen.
»Du scheinst wirklich einen guten Einfluss auf Scarlett zu haben.«
Julia strahlte von einem Ohr zum anderen. »Danke. Ich versuche mein Bestes.« Nach einer Pause fügte sie hinzu: »Aber ich muss sagen, Ihre Tochter hat einen ebenso guten Einfluss auf mich.«
Hä? Ich konnte mir nicht vorstellen, in welcher Weise ich Julia guttun könnte. Sie war unabhängig, zielstrebig und wenn überhaupt, war ich diejenige, die von unserer Freundschaft profitierte. Ich hatte, seit ich Julia kannte, so viel gelernt. Sie war immer so geduldig mit mir. Nicht bloß in der Küche. Und sie war immer für mich da.
»Ich hatte nie zuvor eine so gute Freundin wie Scarlett. Sie erträgt meine Launen …«
Welche Launen?
»Wir lachen oft, und wenn ich traurig bin, versucht sie, mich aufzuheitern. Außerdem verrate ich Ihnen sicher nichts Neues, wenn ich Ihnen sage, was für eine gute Ratgeberin Scarlett ist.«
Meine Mutter betrachtete mich mit einem merkwürdigen Gesichtsausdruck. Es schien mir wie eine Mischung aus Erstaunen und … Stolz?
Ich legte die Hand auf Julias und lehnte den Kopf kurz an ihre Schulter. Sie
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