Zwei Seiten
sagte immer die liebsten Sachen. Auch wenn sie in diesem Fall maßlos übertrieb. Mein Blick wanderte irgendwann zu Mama. Ihre Körperhaltung war ganz steif. Was war denn los?
Als ich bemerkte, dass ich immer noch Julias Hand hielt, ließ ich sie hastig los. So was konnte schnell missverstanden werden.
Julia und ich blieben über zwei Stunden bei meiner Mutter. Wir wollten uns gerade auf den Weg machen, da klingelte mein Handy.
»Winter.«
»Hi, Süße.«
»Hallo, Nathalie. Was gibt‘s?«
»Ich hab‘s gerade erfahren und wollte dir sofort Bescheid sagen.«
»Aha.«
»Daniel und ich fahren nächste Woche für zehn Tage zum Strandhaus. Seine Eltern haben gerade das Okay gegeben. Wenn Julia und du wollen, können wir zu viert fahren.«
»Das klingt toll. Warte, ich frag mal eben.« Ich wandte mich an Julia. »Daniel und Nathalie fahren für zehn Tage zum Strandhaus. Wenn wir wollen, können wir mit.«
Auf Julias Gesicht formte sich ein Lächeln. »Ich hab zwei Wochen Urlaub, die ich kurzfristig nehmen kann. Wann soll es losgehen?«
Ich schmunzelte. »Nächste Woche.«
»Sag Nathalie, ich bin dabei.«
Julia und ich strahlten einander an. Wir waren seit März nicht mehr im Strandhaus gewesen, und mittlerweile war es Ende August. Es würde also ein richtiger Badeurlaub werden.
Ich sprach jetzt wieder ins Handy: »Wir sind dabei. Grüß Daniel.«
»Mach ich. Bis heute Abend. Ich ruf dich an.«
»Okay, bis später«, sagte ich.
»Tschü.«
Ich legte auf und grinste von einem Ohr zum anderen.
»Aber musst du nicht im Café arbeiten?«, fragte meine Mutter.
Ich schüttelte den Kopf. »Ich arbeite schon eine ganze Weile nicht mehr regelmäßig da. Ich war doch damals bloß Vertretung. Jetzt werde ich nur angerufen, wenn Not am Mann ist.« Ich zuckte mit den Schultern. »Jetzt muss das BAföG halt reichen.«
Mama lächelte. »Erinner mich dran, dass ich dir gleich noch ein bisschen Taschengeld für den Urlaub gebe, mein Schatz.«
Julia und ich grinsten und verabschiedeten uns bald gut gelaunt von meiner Mutter und Popeye.
* * *
»Siehst du, es war gar nicht so schlimm«, sagte ich, kaum im Auto sitzend.
Julia schenkte mir ein warmes Lächeln. »Deine Mutter ist echt nett. Das hätte ich nicht gedacht, nachdem …«
Ich sah sie fragend an. »Nachdem was?«
»Na ja, du warst am Anfang ziemlich gegen Homosexuelle, wenn du dich erinnerst. Ich dachte …« Julia schüttelte den Kopf. »Oder weiß sie nicht, dass ich lesbisch bin?«
»Doch, natürlich.« Ich schaute aus dem Fenster. »Sie versteht es ebenso wenig wie ich.« Ich drehte den Kopf wieder zu Julia. »Aber meine Mutter ist nicht intolerant. Sie heißt es nicht gut, aber sie akzeptiert dich so, wie du bist.« Unsere Blicke trafen sich. »Genau wie ich.« Ich streichelte Julias Arm. »Das war echt lieb von dir. Also, was du zu meiner Mutter über mich gesagt hast.«
Julia schaute flüchtig zu mir. »Ich meinte jedes Wort.«
Wir lächelten und Julia startete den Wagen.
»Hätte mir jemand vor einem halben Jahr erzählt, wie alles kommen würde, ich hätte es nicht geglaubt«, sagte ich. »Julia, ich bin so froh, dich in meinem Leben zu haben. Am Anfang dachte ich, nie darüber hinwegkommen zu können, dass du … dass wir so unterschiedlich sind, aber du bist jetzt neben Nathalie meine beste Freundin.« Nach einer Pause fügte ich hinzu: »Und darüber bin ich sehr froh.«
Julia lächelte mich kurz an und fuhr dann los. »Ja, ich auch.«
»So, jetzt aber genug Gefühlsduselei«, sagte ich. »Meinst du, das Wasser wird warm genug zum Schwimmen sein, wenn wir auf Sylt ankommen?«
»Weiß nicht. Kommt drauf an, wie hartgesotten du bist. Wärmer als jetzt wird es nicht. So viel ist sicher. Ich friere ja immer in der kalten Nordsee. Egal zu welcher Jahreszeit. Bin mehr der Mittelmeertyp.«
Ich zuckte mit den Schultern. »Wer ist das nicht?«
»Aber wenn das Wetter nicht allzu schlecht ist, können wir uns am Strand sonnen. Ich liebe es, im Bikini in der Sonne zu brutzeln. Nicht zu lang natürlich, aber ein bisschen schadet ja nicht.«
Das klang wirklich gut. Ich konnte es kaum erwarten.
Wir schwiegen eine Weile. Aber es war keine unangenehme Stille. Vielmehr hatte ich das Gefühl, wir genossen es beide, von Zeit zu Zeit zu schweigen. Mit Nathalie war das anders. Da fiel mir ein … »Du, sag mal, Daniel und Nathalie, es scheint wirklich gut zwischen ihnen zu laufen.«
»Sehe ich genauso. Ich glaube, für Daniel ist die Sache ziemlich ernst.
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