Zwei Seiten
Hat Nathalie dir was gesagt?«
»Sie ist ziemlich verliebt in deinen großen Bruder. Er ist der erste Mann, mit dem sie je zusammengezogen ist. Außerdem ist Daniel ihr absolutes Lieblingsthema. Ich denke, sie fühlen dasselbe füreinander.«
»Romantik ist noch nicht tot«, sagte Julia.
»Sie sind wirklich ein süßes Paar.«
Julias Gesichtsausdruck wurde ernst. »Hast du übrigens die Neuigkeiten von Oliver gehört?«
Meine Augenbrauen schossen nach oben. »Nein, was denn?«
Julia zögerte einen Augenblick. »Er hat ‘ne neue Freundin.«
Ich guckte aus dem Fenster. Schon komisch, aber ich war kein bisschen eifersüchtig. Er hätte mit der ganzen Frauenfußballnationalmannschaft schlafen können und ich hätte nur daran gedacht, wie er Julia behandelte. Sie hatte was Besseres verdient.
»Die beiden haben sich wohl in der Uni kennengelernt«, sagte Julia. »Am Seziertisch hat‘s gefunkt.«
Ich kicherte. »Scheint, du hast recht.« Übertrieben klimperte ich mit den Wimpern, als ob ich von der großen Liebe träumen würde. »Romantik ist noch nicht tot.«
Julia schaute mich mit traurigen Augen an. »Glaubst du, jetzt wo er ‘ne Neue hat, vergisst er endlich den ganzen Mist?«
Ich seufzte. Nichts wünschte ich mir mehr. »Keine Ahnung. Ich hoffe es.«
Kapitel 16
Auf der langen Autofahrt schlief ich auf dem Rücksitz an Julias Schulter ein. Erst das Klingeln von Daniels Handy weckte mich.
»Liebknecht … Oh, hi, wie geht‘s d…?« Daniel stoppte den Wagen auf dem Standstreifen. »Wie meinst du das? … Oliver, das ist keine gute Idee. Das Haus ist doch schon voll. Vielleicht ist es besser, wenn ihr … Ja schon, aber … Ach, haben sie? … Ja … ja, aber du solltest das besser nicht machen. Wirklich nicht … Verstehe. Bis morgen.«
»Was ist los?«, fragte Nathalie, während Julia und ich verschlafen nach vorne schauten.
»Oliver kommt mit seiner neuen Freundin Jennifer am Freitag zum Strandhaus«, sagte Daniel. »Sie bleiben bis Sonntag.«
Das war nicht gut. Gar nicht gut.
»Und wie stellt er sich das vor?«, fragte Nathalie.
»Ich schlafe auf der Couch im Wohnzimmer«, sagte Julia.
»Warum ausgerechnet, wenn wir da sind?« Ich ballte die Hände zu Fäusten. Dieser verdammte Mistkerl. Hatte Oliver nicht schon genug angerichtet?
»Er meinte, Mama und Papa hätten gesagt, es geht in Ordnung«, sagte Daniel. »Dieses Wochenende findet wohl auf der Insel irgendeine besondere Party statt, und er und Jennifer wollen hingehen.«
Es herrschte einen langen Moment gespannte Stille.
»Die Couch ist keine Schlafcouch«, grummelte ich.
Julia zuckte mit den Schultern. »Mag sein, aber sie ist groß genug.«
»Deine Füße hängen über, wenn du liegst.« Ich berührte Julia am Arm. »Lass mich auf der Couch schlafen.« Oder noch besser: Oliver. Seine Neue könnten wir ja im Panoramaraum parken. Bei diesen Gedanken musste ich grinsen.
Julia schüttelte den Kopf. »Das ist lieb von dir, Scarlett, aber ich werde mit dir darüber nicht diskutieren. Ich schlafe auf der Couch und damit Schluss.«
Ich setzte mich auf und verschränkte die Arme vor der Brust. Sie konnte wirklich stur sein.
»Ich kriege es nicht in meinen Kopf«, sagte Daniel. »Wie oft habe ich versucht, mit ihm zu reden, um diese dumme Sache endlich aus der Welt zu schaffen?« Daniel begegnete Julias Blick im Rückspiegel. »Doch er meidet dich wie die Pest. Und dann platzt er in deinen Urlaub, um ihn dir … ja, um ihn dir zu versauen.«
Julia starrte auf die Kopfstütze des Vordersitzes.
Ich nahm ihre Hand und rieb mit meinem Daumen darüber. Hoffentlich ließ mich am Wochenende niemand mit Oliver alleine. Ich war mir nicht sicher, was ich in dem Fall tun würde.
Nathalie hatte sich gerade etwas zu trinken aus dem Fach des Armaturenbrettes geholt und knallte es jetzt mit Wucht zu. »Oliver ist ein Riesenarschloch.«
Nach Nathalies Feststellung herrschte den Rest der Fahrt Stille.
* * *
Etwa vier Stunden später erreichten wir das Strandhaus. Trotz der frühen Abendstunden war es noch über zwanzig Grad warm.
Dennoch machte Julia das Feuer im Kamin an. Vermutlich beruhigte es sie genauso sehr wie mich. Aber es war sicher ein lustiges Bild, wie wir zu viert in T-Shirts und Daniel sogar in kurzer Hose vorm brennenden Kamin saßen.
Julia sah zu mir, und unsere Blicke trafen sich.
Auf unseren Gesichtern formte sich ein wissendes Grinsen, und gleichzeitig sagten wir: »Kakao.«
Daniel und Nathalie schauten uns fragend an,
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