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Zwei Seiten

Zwei Seiten

Titel: Zwei Seiten Kostenlos Bücher Online Lesen
Autoren: Alison Grey
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die Schulter der anderen legte, taten wir nichts, was andere gute Freundinnen nicht auch taten. Vielleicht machten es Nathalie und ich nicht ganz so häufig wie ich und Julia, aber eine Strichliste darüber führte ich nicht. »Du übertreibst. Man kann sich auch was einreden.«
    Nathalie berührte mich am Arm. »Scarlett, ich sage das alles doch nicht, um zu sticheln oder dich unter Druck zu setzen.«
    Ich atmete langsam aus. Das hatte ich auch nicht gedacht. Aber warum fing sie immer wieder damit an?
    »Es ist nur …« Nathalie seufzte und schaute aufs Meer hinaus, als ob dort das Ende ihres Satzes wartete. Irgendwann sah sie mich wieder an. »Das mit euch hat Potenzial, weißt du? Verschließ deine Augen nicht vor etwas, das dich glücklich machen könnte.«
    Ich drehte mich von Nathalie weg. Hatte sie nicht mehr alle? Mein Blick war zum Meer hin gewandt, aber ich konnte seine Schönheit nicht bewundern. Warum sagte Nathalie so was? Und warum dachte sie, ich sei unglücklich? Ich wirbelte zu ihr herum. »Ich bin glücklich. Was soll denn da für Potenzial sein? Ich bin nicht so an Julia interessiert. Bitte, Nathalie, hör auf. Wir sind Freundinnen. Sonst nichts.« Ich kämpfte mittlerweile gegen Tränen an. Was hatten bloß alle? »Ich möchte allein sein.«
    Bevor ich auch nur einen Schritt tun konnte, hielt mich Nathalie am Arm fest. »Scarlett, bitte glaub mir, ich …«
    Ich riss mich los. »Lass es gut sein.« Mit diesen Worten ließ ich Nathalie stehen und stiefelte zu den Dünen.
    Dort setzte ich mich in den heißen Sand. Der Wind blies mir ins Gesicht und ich schloss die Augen. Wieso wurden Julia und ich von allen Seiten missverstanden? Ich hätte es ja vorher selbst nicht geglaubt, dass es möglich war, mit einer lesbischen Frau eine derart gute Freundschaft zu haben, aber so war es jetzt nun mal. Sie bedeutete mir sehr viel. Und das hatte nichts mit Sex oder so zu tun. Es war lediglich eine tiefe Freundschaft.
    »Bist du okay?«
    Ich öffnete die Augen und blickte in Julias Gesicht. »Ehrlich gesagt, nein.«
    Julia ließ sich neben mir in den Sand sinken, sagte aber nichts.
    Ich griff ins Dünengras hinter mir und brach einen Halm ab. Damit zeichnete ich kleine Kreise in den Sand. Warum war das Leben nur so kompliziert? Vor einigen Monaten war alles viel einfacher gewesen. Mein Blick wanderte zu Julia, die aufs Meer hinausschaute. »Was denkst du?«
    Julia drehte sich zu mir. »Was?«
    Ich lächelte und tippte mit dem Grashalm Julias Nasenspitze an. »Was du denkst.«
    Julia grinste und rubbelte sich die Nase.
    Ich kicherte. Nach einigen Momenten wurde ich wieder ernst. »Hm?«
    Julia zog die Knie hoch und lehnte ihre Ellbogen darauf. »Manchmal scheint mir alles so … surreal.« Sie sah mir tief in die Augen. »Weißt du, was ich meine?«
    Erstaunlicherweise ja. Ich nickte. »Es ist viel passiert, und manches macht einfach keinen Sinn.«
    »Genau«, flüsterte Julia.
    Meine Mundwinkel zuckten, formten aber kein wirkliches Lächeln. Wie kam es, dass Julia immer Ähnliches zu fühlen schien? Ich lehnte den Kopf an ihre Schulter und schloss die Augen. Die Welt mit all ihren Zweifeln und Problemen konnte warten.
    * * *
    Etwa eine Stunde später waren wir wieder am Strandhaus.
    Als ich Daniels Auto in der Einfahrt bemerkte, wünschte ich mir, unser Spaziergang hätte länger gedauert. Oliver hatte sich das Auto ausgeliehen. Jetzt war es wieder da und mit ihm höchstwahrscheinlich dieser Idiot.
    Im Wohnzimmer saß Jennifer auf der Couch. Nahe bei ihr stand ihr Koffer. »Ich wollte mich verabschieden«, sagte sie leise und stand auf.
    »Ihr fahrt?«, fragte Nathalie.
    »Ich weiß nicht, was Oliver macht. Wir haben Schluss gemacht.« Ohne ein weiteres Wort ergriff sie ihren Koffer und verließ das Haus.
    Kurz darauf ging Olivers Zimmertür auf und der Grund für dieses furchtbare Wochenende schlenderte in die Küche.
    »Sie ist gegangen«, sagte Daniel.
    Oliver ignorierte ihn und holte sich eine Flasche Bier aus dem Kühlschrank. Dann ließ er sich auf die Couch plumpsen.
    Wir sahen einander ungläubig an.
    »Oliver, es ist vielleicht besser, wenn du gehst«, sagte Daniel.
    Er sprach mir aus der Seele. Allerdings hätte ich mich vermutlich wesentlich unfreundlicher ausgedrückt.
    Zuerst kam keine Reaktion. Schließlich stand Oliver auf und drehte sich zu uns um.
    Wir vier standen immer noch wie bestellt und nicht abgeholt mitten im Raum.
    Oliver sah zu mir und anschließend zu Julia. »Treibt sie dich genauso

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