Zwei sind eine zu viel
hasste es, etwas Falsches zu sagen und überlegte fieberhaft, was Frau Hochwein-Tungelhagen wohl hören wollte. Sicher zählte das hauseigene Fernsehgucken nicht zu der Medienerfahrung, die die Personalchefin bevorzugte.
„ Wie Sie ja meiner Bewerbung entnehmen können, arbeite ich in der Buc h handlung Saalmann. Ich habe bereits einige Artikel in unserer hiesigen Tage s zeitung veröffentlicht. Ich bin an der Fachhochschule eingeschrieben und besuche dort Vorlesungen im Bereich Journalismus. Ich möchte gern bei Ihnen Erfahrungen sammeln und meine berufliche Qualifikation verbessern.“ Gott, klang das gestelzt.
Frau Hochwein-Tungelhagen hatte aufmerksam zugehört.
„ Dass Sie sich für die Vorlesungen von Professor Dr. Wolf interessieren, ist sehr löblich. Aber …“, sie machte eine Pause und strich sich eine Haarsträ h ne hinters Ohr, die sich aus ihrem festen Knoten gelöst hatte, „bei uns mü s sen Sie die journalistischen Artikel nach unseren Vorgaben verfassen. Eine gute Kommunikationsfähigkeit ist dabei unverzichtbar. Und Sie müssen abs o lute Sicherheit in deutscher Grammatik und Orthografie vorweisen können. Wir erwarten hier ausschließlich ergebnisorientiertes Arbeiten.“
Emma rutschte mit jedem Wort ein bisschen tiefer in ihrem Stuhl und füh l te sich klein und unwohl. Mit einem Mal war die aufrechte Haltung futsch. Frau Hochwein-Tungelhagen hatte ein offensichtliches Talent, ihren G e sprächspartner in Grund und Boden zu reden. Hoffentlich musste sie niemals mit dieser Frau verhandeln.
„ Volontäre können bei uns aktuell für unsere Zeitungen und Magazine b e richten, längerfristige Aufträge im Team mitplanen und gestalten, selbststä n dig Hintergründe recherchieren und aufbereiten und die klassischen journali s tischen Darstellungsformen von der Nachricht bis zum Magazinbericht ke n nenlernen.“ Die Personalchefin endete abrupt.
Sie bekam eine Gänsehaut.
Ob sie das wohl irgendwo abgelesen hatte? Es klang wie auswendig gelernt. Aber Frau Hochwein-Tungelhagen hatte während des gesamten Gespräches Blickkontakt gehalten. Diese Frau beschäftigte sich nicht mit Angelegenhe i ten außerhalb ihres Kosmos. „Das hört sich alles sehr … gut an.“ Emma musste sich zusammenreißen. Sie würde ja nicht direkt mit Frau Hochwein-Tungelhagen arbeiten müssen.
„ Wir haben hier einen strikten Plan, nach dem wir unsere Volontäre einse t zen. Sie werden erst mal bei Jakob in der Druckerei arbeiten. Im Keller haben wir unsere eigene Haus-Druckerei, auf die wir sehr stolz sind. Jakob wird Ihnen alles zeigen. Lassen Sie sich von ihm erklären, wie alles funktioniert, und lernen Sie, Anweisungen zu befolgen. Seien Sie höflich zu unseren R e dakte u ren und natürlich zu unserem Chef.“
Sie überkam das dumpfe Gefühl, sie säße Knigge persönlich gegenüber, dabei wollte sie nur ein Praktikum machen. Frau Hochwein-Tungelhagen erläuterte ihr die einfachsten Benimmregeln der westlichen Kultur. Dass sie dabei nicht mit dem erhobenen Finger drohte, war alles.
„ Dann werde ich jetzt bei Jakob anrufen und Sie anmelden. Sie können sich schon mal auf den Weg in den Keller machen.“
Frau Hochwein-Tungelhagen wandte den Blick ab, und sie fühlte sich hi n auskomplementiert. Unsicher stand sie auf und fand sich plötzlich auf dem Flur wieder. Die Gänsehaut war immer noch da.
So was! Irgendwie war das nicht so gelaufen, wie sie es geplant hatte. Ein mulmiges Gefühl breitet e sich in ihr aus. Was hatte die Personalchefin g e sagt? Keller!
Die Arbeit, die Emma für Jakob verrichten musste, hatte etwas Entspanne n des und Meditatives an sich. Sie hatte selten so viel Spaß bei der Arbeit g e habt, wie in den letzten beiden Tagen. Jakob hatte sie in der Druckerei ang e lernt, ihr die Offsetmaschinen erklärt und ihre schnelle Auffassungsgabe g e lobt. Kurz gesagt: Emma genoss es in vollen Zügen, mit Jakob zu arbeiten. Sie hatte auch schon Jörn Römer kennengelernt, der neben Jakob als Einziger im Druckereibereich mitverantwortlich war. Er war in Emmas Alter, groß, schlank, hatte kurze Haare und trug eine Brille. In ihren Augen war er eher gewöhnlich. Aber Jörn fand sich wohl mehr als durchschnittlich, das hatte sie bei einigen Unterhaltungen schon festgestellt. Meine Güte, wer selbstbewusst war, sollte es ruhig zeigen. Sie musste ja schließlich nur mit ihm arbeiten und nicht mit ihm ins Bett gehen.
Gut gelaunt, weil Freitag war, sie Feierabend hatte und alles hervorragend
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