Zwei sind eine zu viel
behalten würde, stand nicht zur Debatte. Nicht nach ihrer Internetrecherche von gestern Abend.
Auf dem Weg zur Arbeit legte sie einen Stopp bei McDonald’s ein und b e stellte einen extragroßen Vanillemilchshake zum Mitnehmen.
Dazu genehmigte sie sich noch einen McMuffin und eine Apfeltasche, so enthielt das Frühstück alle wichtigen Bestandteile der großen Nahrungsmi t telgruppen.
Gestern Abend fand sie die Vorstellung toll, in Simons Büro zu stürmen und ihm den eiskalten Milchshake über den Kopf zu kippen, in der Hof f nung, dass sich bei der Aktion ein paar Eiswürfel in seine Hose verirren. Aber je näher der Arbeitstag kam, desto unsicherer wurde sie. Wenn sie ihm den Milchshake über den Kopf kippen würde, könnte sie sich wahrscheinlich d i rekt als gefeuert betrachten.
Keine gute Idee.
Sie stellte sich das entsetzte Gesicht von Frau Hochwein-Tungelhagen vor und schmunzelte. Die Frau würde in Ohnmacht fallen. Aber nur wie die ric h tigen Damen früher – mit Stil. Okay, das war absolut nicht das, was sie tun sollte. Außerdem wollte sie sich abgewöhnen, immer so überzogen kindisch zu reagieren. Es gab einen neuen Plan. Sie würde die Ausschreibung vom Boston-Marathon zusammen mit den Konzertkarten auf seinem Schreibtisch hinterlassen, solange er noch nicht da war. Diese Lösung erschien ihr die e r wachsenste von allen.
Zugegeben, richtig erwachsen war anders.
Diana saß bereits an ihrem Schreibtisch und lächelte Emma an, als sie in der dritten Etage aus dem Fahrstuhl stieg. Diana war nett, freundlich und hatte einen ausgefallenen Esoterik-Spleen, der Emma nicht weiter störte. Sie behandelte sie nicht von oben herab wie manch anderer und das rechnete sie ihr hoch an.
„ Hallo Emma, gut, dass du kommst, du kannst gleich zu Herrn Bogener durchgehen, er wartet schon auf dich. Ich denke, du bekommst jetzt einen richtigen Auftrag.“ Sie zwinkerte ihr wissend zu.
Sie blieb abrupt stehen. Simon war schon da? „Einen Auftrag?“ Das Ko n denswasser des Milchshakes lief ihr eiskalt vom Becherrand über die Finger. Bis jetzt hatte sie lediglich Schreibtischarbeit gemacht. Mehr als ein bisschen Internetrecherche war noch nicht herumgekommen. Wenn sie Diana ausfr a gen würde, würde die ihr sicher etwas von einer Intuition, ausgelöst durch einen Rosenquarz erzählen. Also ließ sie es lieber bleiben.
„ Ja, nun geh schon rein. Herr Bogener beißt nicht.“
Da war sie nicht so sicher.
Diana klopfte und ging vor Emma in Simons Büro. „Frau Jakobsen ist da.“
Sie scheuchte sie mit beiden Händen ins Büro. Diana lächelte ihr noch mal aufmunternd zu, dann verließ sie den Raum.
Plötzlich wollte Emma den Milchshake nicht mehr über Simons Kopf ki p pen. Sie blieb mitten im Raum stehen und versuchte, nicht so dumm ausz u sehen, wie sie sich fühlte, schließlich hatte sie immer noch den Becher und die Ausschreibung in der Hand.
Wo sollte sie damit hin?
Simon unterzog sie einer gründlichen Musterung, was ihr tierisch unang e nehm war. Er hatte ein Date mit Lucy. Warum musterte er sie – länger als nötig? Und warum fühlte sie sich trotz allem magnetisch von ihm angezogen?
„ Setz dich, Emma.“
Da war es wieder. Er duzte sie, auch im Büro. Sie setzte sich steif auf den Stuhl, der für Kunden reserviert war und vor seinem Schreibtisch stand.
„ Ich habe ein wenig recherchiert und deine Artikel gelesen, die du bereits geschrieben hast.“ Er blickte sie jetzt direkt an. Seine Miene war undurchsic h tig.
„ Es waren nur kleine Buchbesprechungen.“ Ihr war es peinlich, bei so was von Artikeln zu sprechen.
„ Stimmt.“ Er nickte. Seine Miene war immer noch undurchschaubar. „Ich mag deinen Stil. Amüsant, interessant und vielleicht ein klein wenig zu naiv. Du hast noch nicht viele Möglichkeiten gehabt, mehr zu schreiben. Ist das richtig?“
Er benahm sich irgendwie oberlehrerhaft. Sie nickte trotzdem, konnte aber nicht mehr sagen außer: „Ja.“
„ Deshalb möchte ich, dass du für uns an einem Projekt mitarbeitest.“
Sie durfte bei einem Projekt mitarbeiten. Die Vorfreude stieg und löste E u phorie in ihr aus.
„ Du hast auf der letzten Redaktionssitzung gehört, dass wir eine Serie ve r öffentlichen. Es geht um neue Szene-Lokale und deren öffentliches Ersche i nen. Susanne Wagner ist mit dem Thema betraut und ich hätte dich gern d a bei.“ Er sah sie unverwandt an. „Von Susanne kannst du eine Menge lernen. Sie ist ein Profi. Also, geht zusammen,
Weitere Kostenlose Bücher