Zwei sind eine zu viel
dass sich jemand um ihre Nägel kümmerte, wie heute Morgen. Das Personal von Golden Girly war netter als Lucy und es gab Champagner. Hier gab es nur Wasser. Mit hängenden Schultern ging sie lan g sam in die Richtung, in der die Waage sein sollte.
Das konnte nicht sein, die Waage musste kaputt sein, oder es lag am Boden.
Im Fernsehen hatten sie mal gesagt, dass eine Waage einen ebenen Unte r grund braucht. Auf Teppichboden zeigt das Ding etwas ganz ander e s an als auf Steinfußboden. Bestimmt war das hier eine Körperwaage, die nur auf Teppichboden richtig funktioniert. Sie zeigte eindeutig nicht ihr Gewicht an. So viel konnte sie nicht wiegen. Sie trat noch mal herunter, damit der Zeiger sich ausruhen konnte, wartete ein bisschen und stieg dann wieder herauf. Es blieb dabei. Es waren keine fünfundsechzig Kilo – bei Weitem nicht.
Etwas blass um die Nase ging sie zu Lucy zurück. Mit zittriger Stimme flü s terte sie: „Zweiundachtzig“, und fühlte sich gedemütigt und erschöpft. Wann hatte sie so zugelegt?
Lucy riss erschrocken die Augen auf, enthielt sich aber jeden Komment a res. Sie schrieb die Zahl auf, packte den Anmeldebogen weg und ließ den Rest offen. „Am besten fangen wir mit dem Laufband an. Da verbrennt man die meisten Kalorien. Wenn du drei Mal die Woche kommst, haben wir dein Gewichtsproblem schnell wieder im Griff.“
Sie trottete wie ein braver Emu hinter Lucy her, bis sie am Laufband in der hintersten Ecke der Trainingsfläche angekommen waren. Der Schock saß noch zu tief, deshalb konnte sie kaum sprechen.
Lucy stellte die leichteste Stufe ein. „So, das solltest du schaffen. Wir fa n gen mit zwanzig Minuten warmlaufen an, dann zeig ich dir unsere anderen Trainingsgeräte. Den Abd o minalflex, den Lat P ulldown und zuletzt die Bei n presse. Die wird für dich besonders gut sein.“
Sie wollte gar nicht wissen, was das alles war, aber eins wusste sie jetzt schon. Das Wort Beinpresse hinterließ einen bitteren Beigeschmack.
Ein aufhellender Gedanke ging ihr durch den Kopf, nachdem sie die ersten Schritte gelaufen war. Übergewicht konnte auch Vorteile haben. Bestimmt könnte sie die unnötigen Pfunde in der Beinpresse als Hebel einsetzen.
Lucy wartete, bis sie anfing, ihre Geschwindigkeit dem Laufband anzupa s sen. Dann drehte sie sich um und überließ Emma sich selbst.
„ Und wenn ich auf die Toilette muss? Wie halte ich das verfluchte Ding an?“
Lucy ging ohne einen Kommentar, und sie streckte ihr hinterm Rücken die Zunge raus – mein Gott, war sie eigentlich immer noch fünf?
Die Sonnenbrille hatte Emma die ganze Zeit aufgelassen und würde sie auch jetzt nicht abnehmen, wollte lieber inkognito schwitzen. Schließlich b e stand nicht die Gefahr, dass sie irgendwo gegen lief. Sie war ja auf einem b e knackten Laufband unterwegs.
Einem Laufband!
Verdammt, keiner sollte sehen, wie jämmerlich und elend sie sich fühlte.
Lucy entließ Emma eine Stunde später. Sie hatte ihre Bauch- und Rücke n muskulatur an dem Abd o minalfex trainiert und zum Schluss noch ein paar Gewichte an der Beinpresse gedrückt. Emma war verschwitzt, sauer, fru s triert und wünschte sich eine Smith & Wesson, damit sie ihre Schwester u m bringen konnte.
Zwei
Emma stand im Lager und sah auf die Kartons voller Bücher, die heute Mo r gen geliefert worden waren. So war das nun mal, wenn man in einer Buc h handlung arbeitete. Dann bekam man Bücher und keine Federkissen. Norm a lerweise hatte sie kein Problem damit, Bücher zu sortieren. Sie liebte Bücher. Sie las für ihr Leben gern und konnte von sich behaupten, sich in fast allen Genres auszukennen. Aber heute waren ihre Arme schwer. Eigentlich bekam sie ihre Gliedmaßen kaum hoch. Sie hatte nicht gewusst, dass Muskelkater so schlimm sein konnte. Den Sonntag hatte sie komplett mit unzähligen Aspirin im Bett verbracht. Nach dem Training am Samstag war sie zu nichts mehr zu gebrauchen gewesen. Am schlimmsten hatte es ihre Beine erwischt. Daran war wohl die Beinpresse schuld. So war der Sonntag auf dem Sofa an ihr v o rüber ge zogen. Sie hatte den neuen Ste ph anie-Plum-Roman ausgelesen und sich anschließend eine Magnum Packung Karamelleis mit Schokoladensoße gegönnt. Gleich, nachdem sie den letzten Bissen verzehrt und sich ein leic h tes Völlegefühl eingestellt hatte, plagte sie ihr schlechtes Gewissen. Schlie ß lich ging sie ins Fitnessstudio, um abzunehmen. Allerdings schien ihr Hu n gerg e fühl daran keinen Anstoß zu
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