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Zwei Sommer

Zwei Sommer

Titel: Zwei Sommer Kostenlos Bücher Online Lesen
Autoren: Britta Keil
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wollen etwas bedeuten. Wir wollen jemandem etwas bedeuten.«
    Ich nicke stumm, weil ich nur erahnen kann, was Tante Doro meint.
    »Wenn sich einer von uns trennt, dann entzieht er uns Bedeutung. Zumindest fühlt es sich im ersten Augenblick so an. Und das ist das, was dir gerade so wehtut.«
    Ich will das alles überhaupt nicht hören, aber Tante Doro ist in ihrem Element: Menschen. Ich frage mich oft, woher sie all diese Dinge nimmt, wo sie doch so oft allein ist.
    »Menschen sind wie ein Spiegel für uns. Wir können uns in ihnen betrachten und uns erkennen. Du bist Marie, der Hafen, das lecker Mädchen, die Marie mit den bunten Augen.«
    Ich muss schlucken, weil Doro sich das alles gemerkt hat und weil ich Olivers Stimme höre, wie sie genau diese Dinge zu mir sagt. »Und was mach ich jetzt damit? Ich kann nicht dran denken und das schön finden.«
    »Das ist ja auch die große Kunst, das alles zu spüren und schön zu finden, auch wenn der Spiegel nicht mehr da ist, in dem du diese Dinge an dir sehen konntest. Ich meine: Es ist nicht weniger wahr, nur weil der Oliver nicht mehr da ist, der es dir sagt.«
    »Arschloch«, presse ich hervor.
    Doro strahlt mich an, als hätte ich ein kniffliges Rätsel gelöst.
    Sie rutscht zu mir herüber, nimmt meine eiskalten Hände in ihre warmen großen Hände und streichelt mir über den Handrücken. »Wut ist der erste Weg zur Besserung, Kleines.«
    Kleines. Aus keinem anderen Mund würde ich mir dieses Wort gefallen lassen. Aber wenn Doro »Kleines« sagt, fühle ich mich irgendwie groß. Ich schaue sie aus verheulten Augen an und lege meinen Kopf in ihren Schoß. Sie streichelt mir über den Rücken und das komische esoterische Gedudel aus dem Wohnzimmer verschwimmt zu einer wohltuenden Geräuschtapete. Hier will ich bleiben. Hier in Tante Doros Schoß. Hier fühle ich mich sicher.
    Doro streicht mir durchs Haar. »Marieke, du hast jedes Recht der Welt, diesen Typ so richtig doof zu finden.«
    Ich weiß, dass Tante Doro Recht hat, mit dem, was sie sagt, und ich weiß auch, dass Pauline Recht hat, mit dem, was sie schreibt, aber ich merke auch, dass ich an diesem Abend einfach nicht mehr die Kraft habe, irgendwen doof zu finden.
    Es gibt nur eine Sache, die schlimmer ist als meine Haare: keine Haare. Seit einer halben Stunde stehe ich im Bad und versuche unter Einsatz von Schaumfestiger, Haarspray und Doros antiker Höllenmaschine von einem Föhn so etwas wie eine Frisur auf meinen Kopf zu zaubern.
    Meine Haare sind schwarzbraun, aber sonst gar nichts. Doch, sie sind glatt, dünn und störrisch. Ich hasse sie und sie hassen mich. Ihre Lieblingsbeschäftigung ist es, auf meinen Schultern rumzuhängen und mich damit in den Wahnsinn zu treiben.
    Doro kommt ins Bad, als ich mir kopfüber gerade eine erneute Ladung Haarspray in die Haare sprühe. Doro beginnt zu husten und krächzt: »Oh Gott, sag doch gleich, dass du mich umbringen willst!«
    Ich richte mich auf und sehe Doro im Spiegel, wie sie sich mit den Händen vorm Gesicht herumwedelt.
    »Mist, was mach ich denn bloß mit meinen Haaren«, jammere ich und strecke meinem Spiegelbild die Zunge raus.
    »Warum machst du dir nicht mal Zöpfe?«, schlägt Doro vor.
    »Weil ich dann aussehe wie zwölf?«, brumme ich.
    »Quatsch, komm, ich probier mal was aus und dann darfst du von mir aus gerne weitermeckern.«
    »Mmh, ich weiß nich t …«
    »Aber zuerst wäschst du dir mal den Blödsinn aus den Haaren! Die ganze Chemie macht die Haare krank, weißt du das denn nicht?«
    »Nee, meine Haare machen mich krank«, nörgle ich vor mich hin, während ich mich über den Badewannenrand beuge und mir die Haare ausspüle.
    Als ich nach einer halben Ewigkeit endlich in den Spiegel sehen darf, hat Doro ihr Werk vollendet. Gar nicht übel.
    Sie hat mir Zöpfe geflochten und mir ein rotes, mit Pailletten besticktes Kopftuch in die Haare gebunden und ich finde, ich sehe gut aus. Lagerfeuertauglich.
    »Tschüss, Doro!«
    »Viel Spaß! Und du weißt noch, was wir abgemacht haben!«
    »Jaja, nicht später als zwei und ich ruf kurz vorher an, wenn ich gehen will.«
    Doro ist eben die coolste Tante der Welt. Sie holt mich mit dem Auto ab und sie hat mir versprochen, unauffällig auf dem Camping-Parkplatz auf mich zu warten. Meine Mutter würde ausrasten, wenn sie wüsste, dass Doro mir diese Verabredung erlaubt hat. Wenn meine Mutter dann auch noch wüsste, dass Janos Musiker ist und halblange blonde Locken hat und raucht und aus Berlin kommt, wäre

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