Zwei Stunden Mittagspause
Tür gegen Luise, die aus ihrem Zimmer kam.
»Was ist?« fragte sie.
»Benno!« Zumbach fuhr in seine Schuhe und strich sich mit gespreizten Fingern die Haare glatt. »Benno hat sich vergiftet …«
»Opfer Nummer zwei.« Luise trat von der Tür zurück. »Du bist sein moralischer Mörder!«
»Ich bin nichts, nichts, nichts!« schrie Zumbach mit verzerrtem Gesicht. »Mein Gott, in was treibt ihr mich hinein!«
Eine Viertelstunde später saßen sie vor dem Schlafzimmer Großmanns und warteten. Der Arzt war noch drinnen, Dieter rannte herum und hieb mit der Faust in die linke Hand, verdammt zur Untätigkeit.
»Er pumpt ihm den Magen aus«, hatte er gesagt, als Zumbach in Bennos Villa stürmte. »Ein Zimmer in der Bergklinik ist bestellt, falls es nötig ist … eine halbe Stunde später, und Vater wäre …« Dieter schluckte krampfhaft. »Ich habe es rechtzeitig durch Zufall entdeckt. Vater hatte ein Buch ausgelesen, und ich wollte es mir leihen. Da fand ich ihn röchelnd quer über dem Bett … Er hat sich vergiftet! Und das alles wegen dieser Margot! Ich schwöre es euch: Wenn ich sie jetzt hier hätte, ich würde sie erwürgen …«
Zumbach schwieg. Er wich dem Blick Luises aus. Die Last seiner Schuld war unerträglich geworden.
Nur fort von hier, dachte er. Weit fort. Wenn noch ein Funken Hoffnung bestanden hat … mit dieser Verzweiflungstat Bennos ist alles erloschen. Er hat Rache genommen, ohne es zu wissen …
Nach einer Stunde endlich öffnete sich die Schlafzimmertür. Der Arzt und eine Krankenschwester, die er gleich mitgebracht hatte, kamen auf den Flur. Dieter und Luise sprachen fast gleichzeitig den gleichen Satz:
»Wie geht es ihm?«
Der Arzt hob die Schultern. »Er ist verzweifelt, völlig verzweifelt, daß ich ihn leben lasse. Er will unbedingt sterben.« Er sah Dieter ernst an. »Wir dürfen Ihren Vater keine Minute aus dem Auge lassen. Schwester Erna bleibt hier, Sie lösen sie später in der Wache ab. Und wenn Sie, Frau Zumbach …«
»Natürlich bleibe ich bei Benno«, sagte Luise.
»Wir werden ihn nicht ohne Aufsicht lassen.«
»Vielleicht könnten Sie helfen, Herr Zumbach.«
Der Arzt setzte seine Tasche ab. »Als Herr Großmann wieder bei Besinnung war, sagte er als erstes: Heinrich soll kommen …«
Zumbach war es, als durchjage ihn ein Feuer. Unter seiner Hirnschale brannte der Kopf.
»Ich will gerne mit ihm sprechen … aber übermorgen muß ich in die Schweiz fliegen. Leider … Kann man jetzt zu ihm?«
»Er schläft jetzt. Kritisch wird es, wenn er morgen früh aufwacht und voll erkennt, daß er noch lebt. Dann sollten Sie an seinem Bett sein, Herr Zumbach.«
»Das werde ich auch«, versprach Zumbach. Er wandte sich ab, ließ die anderen stehen und ging langsam hinüber in die Wohnräume. Dort warf er sich in einen Sessel, legte den Kopf weit in den Nacken und bedeckte das Gesicht mit beiden Händen.
Die letzten Lügen. Morgen früh. Und dann weg von hier, für immer weg, ein Niemandsland von Tausenden Kilometern zwischen allem, was gewesen ist.
Für alles muß man im Leben bezahlen, auch für die eigene Feigheit.
Die Überschreibungsverhandlungen vor dem Notar dauerten fast zwei Stunden. Dann war Heinrich Zumbach sein Vermögen, seinen Betrieb, alle Rechte los, und Luise Zumbach unterzeichnete als alleinige Besitzerin.
Der Notar stellte keine Fragen, aber er betrachtete immer wieder Heinrich Zumbach, als er das Protokoll vorlas. Warum verschenkt ein erfolgreicher Mann sein ganzes Lebenswerk? fragte er sich. Was steckt dahinter? Steuervorteile? Wohl kaum, denn ob Zumbach selbst oder seine Frau alles versteuert … die Summen bleiben die gleichen.
Eine Ehescheidung? Dann war Zumbach ein Narr, denn wie auch die Scheidung verlief, die Hälfte des Vermögens blieb ihm immer.
Auf der Rückfahrt schwiegen Luise und Heinrich Zumbach. Stumm kehrten sie in ihre herrliche Villa zurück und tranken dann einen Kognak, als müsse man den Akt des Zusammenbruchs wie ein Geschäft feiern.
»Wann fliegst du?« fragte Luise plötzlich.
»Morgen früh um sieben … Ich habe um Starterlaubnis nachgesucht und kann nur um sieben fliegen. Warum?«
»Wegen der Wacheinteilung bei Benno. Ich will dich zum Flugplatz begleiten.«
»Dein letzter Triumph?«
»Mein letzter Liebesdienst. Ich habe dich einmal sehr geliebt, Heinrich.«
»Luise!«
Es war wie ein Aufschrei, aber Luise winkte ab.
»Keine neue Dramatik. Ich kenne deine schauspielerische Begabung. Noch eines: Wenn Benno einen
Weitere Kostenlose Bücher