Zwei Stunden Mittagspause
neuen Versuch macht, sich umzubringen, muß ich ihm vorher die Wahrheit sagen, ohne Rücksicht, ob du schon in Brasilien bist oder nicht.«
»Selbstverständlich.« Zumbach trank noch einen Kognak. Das Glas zitterte in seiner Hand. »Nur sage ihm dann, daß ich schon in Südamerika bin. Die Scheidung kannst du sofort einreichen. Noch eine Frage, Luise?«
»Ja.«
»Bitte.«
»Warum hast du das alles getan?«
»Ich weiß es nicht.« Zumbach hob die Schultern. »Es gibt keine Erklärung, Luise. Es trieb alles auf mich zu, und ich habe alles aufgesammelt, was zu mir hinschwemmte. Eigentlich ohne zu denken. Es war eine einfache Lebensphilosophie: Nimm, was kommt.«
»Mehr kannst du darüber nicht sagen?«
»Nein.«
»Daß es dir leid tut …«
»Was hätten wir beide davon? Reue, so spät?«
»Ich will nur wissen, ob du noch ein Herz hast, eine Seele, ein Gewissen!«
»Ich habe alles … aber irgendwie ist das alles auch wie tot.« Er sah auf seine Uhr. »Ich fahre noch ins Büro. Ich will mich von meinen Mitarbeitern verabschieden und Leo Hannsbach zum Planungsleiter ernennen. Auf Hannsbach kannst du dich verlassen. Er ist ein ehrlicher, fleißiger Mann. Soll ich noch einmal nach Hause kommen?«
»Warum nicht?« Luises Augen verdunkelten sich, aber sie beherrschte sich mit einer fast unmenschlichen Gewalt. »Noch ist das hier dein Haus …«
»Danke.«
Zumbach wandte sich ab und ging. An der Haustür drehte er sich noch einmal um. Luise stand in dem großen Bogendurchgang zum Salon. Stumm, wie versteinert, bleich.
»Waren dir deine Lügen soviel wert?« fragte sie leise.
Zumbach senkte den Kopf und verließ schnell das Haus.
Um sieben Uhr früh rollte die kleine Chessna Zumbachs auf die Piste und schwenkte auf die Startbahn ein. Vom Kontrollraum aus wurde der Start freigegeben.
Zumbach saß hinter dem Steuerknüppel, als fahre er seinen Wagen. Nur die Kopfhörer gaben ihm ein fremdes Aussehen. Er blickte zur Seite und sah Luise neben der Piste stehen. Sie schwenkte ihren Schal, der Propellerwind riß an ihm, und sie hatte Mühe, ihn festzuhalten.
Langsam hob er die rechte Hand und grüßte.
Ein Abschied für immer.
Zumbach hatte keine Zeit, länger darüber nachzudenken, noch einmal die Jahre zurückzudenken, in denen er mit Luise glücklich gewesen war oder geglaubt hatte, es zu sein. In seinem Kopfhörer schnarrte die Stimme vom Kontrollraum.
»Warum starten Sie nicht? Sollen die am Himmel verhungern? Wenn Sie jetzt nicht starten, rufe ich Sie ab …«
»D-1349 bereit.« Zumbach ließ die Propeller aufheulen. Er ließ die kleine Maschine zur Startbahn rollen, kontrollierte noch einmal alle Geräte, überblickte die Uhren, Höhenmesser und automatischen Anzeiger.
Mehr Gas. Die Motoren donnerten hell. Die Chessna begann den Startanlauf.
Die Stimme im Kopfhörer: »Neue Wettermeldung. Über Baden-Württemberg eine Gewitterfront. Höhe zweitausendvierhundert. Zieht südlich ab.«
»Verstanden.«
Zumbach zog das Höhenruder. Der Schwanz der Chessna hob sich … dann schwebte sie, hob sich vom Boden ab … ein glitzernder Vogel, der in den Himmel stößt.
Luise stand unten am Rollfeld und starrte in die Luft. Sie verfolgte den Punkt, bis er sich plötzlich auflöste, aufgesaugt wurde vom Blau des Himmels wie ein Tautropfen.
Vorbei, sagte sie zu sich. Alles ist nun vorbei.
Jetzt beginnt der Morgen.
Was aber wird morgen sein?
14
Das Flugzeug surrte in tausend Meter Höhe nach Süden. Heinrich Zumbach beobachtete die Instrumente, Höhenmesser, Radarschirm, Thermometer, Motorumdrehungen, Öldruck und sprach ab und zu mit den verschiedenen Bodenstationen der Sportflugplätze, die er anflog oder überflog.
Für ihn war dieser Flug etwas Alltägliches. Er hatte sich die zweimotorige Chessna vor zwei Jahren gekauft und sie mit allem ausgerüstet, was Flugsicherung bedeutete. Sie flog mit der Sicherheit einer Verkehrsmaschine, war auf Blindflug eingerichtet und durfte auch auf den großen Flughäfen landen, die ihn vom Kontrollturm aus mit ihrem Radarstrahl herunterholten auf die Piste.
»Das ist mein einziges Hobby«, hatte er damals zu Luise gesagt, als er die Chessna kaufte. »Ich rauche wenig, trinke kaum, habe keine Ambitionen bis auf die verdammte Vereinsmeierei, aber das muß sein. Man muß sich in den Vereinen um die Leute kümmern, denn das sind die zukünftigen oder gegenwärtigen Kunden eines Architekten, und einmal kommt jeder mal ans Bauen. Laß mir die Freude, unterm Himmel zu schweben
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