Zwei sündige Herzen: Roman (German Edition)
tiefbraunen Augen senkten sich in ihre. »Ich glaube, ich würde Sie sehr gern küssen.« Er streckte eine Hand aus und pflückte eine vorwitzige Haarsträhne von ihrer Schulter, die er dann langsam zwischen Daumen und Zeigefinger drehte. »Was sagen Sie dazu, Merry Lane? Wie wäre es mit einem geziemenden Willkommensgruß für einen Heimatrückkehrer?«
Sie könnte mit einem Scherz darüber hinweggehen oder zurückweichen. Sie kannte sich damit aus, wie man derartigen Avancen Paroli bot. Unten in der Taverne musste sie sich dauernd der Zudringlichkeiten von männlichen Gästen erwehren. Für jeden der wenigen Männer, die sie seit dem Tod ihres Gemahls in ihr Bett geholt hatte, hatte sie Dutzenden einen Korb gegeben. Aber als junges Mädchen hatte sie von ebendiesem Mann geträumt, der sie mit einem lustvoll begehrlichen Glitzern in seinen Augen betrachtete und exakt jene Worte zu ihr gesagt hatte.
Ich glaube, ich würde Sie sehr gern küssen.
Das war einfach zu viel für sie. Innerlich aufgewühlt, platzte sie heraus: »Gibt es sonst noch etwas, was ich für Sie tun kann, Mylord?«
Angesichts ihres schroffen Tonfalls fasste er sich sogleich wieder. »Nein.« Als er hastig den Blick abwandte, gewahrte sie einen verletzten Ausdruck in seinen dunklen Augen. Er strich sich mit fahriger Hand über sein kurzes dunkles Haar. »Nein, verzeihen Sie. Das war … unangemessen von mir. Es wird nicht wieder passieren.«
Meredith verharrte dort, wo sie stand, und verfolgte, wie er zum Fenster zurückkehrte.
Er drehte sich nicht um, als er sagte: »Sie gehen jetzt besser, denke ich.«
Folglich glitt sie aus der Tür und zog sie hinter sich zu. Sie ließ leise schimpfend die Klinke los.
Verflixt und zugenäht. In ihrem ganzen bisherigen Leben war sie noch niemals so wütend auf sich selbst gewesen. Sie hatte soeben die Gelegenheit – die einzige Chance, die sie je hätte – ungenutzt verstreichen lassen, einen Kuss und vermutlich auch das Bett mit dem Mann zu teilen, den sie begehrte, seit sie dunkel begriffen hatte, was Begehren bedeutete. Und nicht nur das, mit ihrem Sträuben hatte sie bei ihm einen falschen Eindruck hinterlassen. Jetzt glaubte er, dass sie ihn zu unattraktiv fand, um ihn zu küssen, dabei verhielt es sich in Wahrheit völlig anders.
Gideon wartete gewiss unten im Schankraum auf sie. Sie musste sich noch die Wagenladung anschauen, die im Pferdestall untergestellt war. Ganz zu schweigen davon, dass sie die Gäste zu bewirten hatte, ohne dass weiteres Mobiliar dabei zu Schaden käme.
Und Rhys wollte morgen wieder abreisen. Sie würde nie wieder so eine Chance bekommen. Sie arbeitete schier bis zum Umfallen in diesem Gasthof. Jeden Tag, alle Tage. Hatte sie sich da nicht eine Nacht verdient, eine einzige Nacht, die ganz allein ihr gehörte?
Sie klopfte entschlossen an die Tür.
Als er aufmachte, sagte sie eilig und bevor sie den Schneid verlor: »Sie können … Sie können mich gern küssen. Ich habe nichts dagegen einzuwenden.«
»Wirklich nicht?«
»Nein.«
Er umschloss mit einer Hand ihr Kinn und zog ihr Gesicht an seins. Erst da bemerkte sie, dass sie ihr beherztes Angebot an seinen Jackenknopf gerichtet hatte.
Sein Daumen streichelte zärtlich ihre Wange, und sie schloss die Augen. Er hörte nicht auf, glitt mit seinem Daumen unablässig von ihrem Wangenknochen zu ihrem Kinn. Diese sanfte Berührung seiner Finger auf ihrer Haut genügte, um ihren ganzen Körper erschaudern zu lassen.
Sie war nicht imstande, ihre Neugier noch einen Moment länger zu bezähmen, und klappte die Lider auf.
Er machte keinerlei Anstalten, sie zu küssen.
»Danke für Ihr Angebot.« Er streifte mit einer Fingerspitze ihren Mundwinkel, dann ließ er sie los. »Gute Nacht, Mrs. Maddox.«
Bevor sie ihm dasselbe wünschen konnte, schloss er die Tür.
3
W enn Stein doch nur brennen könnte.
In der blassgrauen Morgendämmerung stand Rhys vor der ausgebrannten Ruine von Nethermoor Hall. Nach seiner langen Abwesenheit hatte er nicht gewusst, was ihn erwartete. Im Geiste hatte er sich vorgestellt, wie er das Anwesen vorfinden würde: als schwärende Wunde im Moor, ein verkohlter Schutthaufen aus Holz und Lehmgeflecht. Aber diese Hoffnungen wurden enttäuscht, denn bis auf Dachbalken, Böden und Stiegen waren Nethermoors Außenmauern aus Stein errichtet. Stein brannte nicht.
Etliches von der einst vielgerühmten baumeisterlichen Konstruktion war in die Nebel von Dartmoor entschwunden, das Material war zweifelsohne
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