Zwei sündige Herzen: Roman (German Edition)
Loch, hallte das Echo jener Schreie in seinem Schädel wider. Er presste die Hände auf seine Ohren, aber es half nichts, weil sich die Erinnerungen eingenistet hatten.
»Ich stürzte los, um Alarm zu geben«, fuhr sie fort. »Dann zwang mein Vater mich, nach Hause zu gehen.«
»Dein Vater …«
»Mein Vater wurde verstümmelt. Ich weiß. Ich weiß das sehr wohl. Ich bin diejenige, die ihn verbunden, gebadet, angekleidet und versorgt hat, jeden Tag seither. Es mag entsetzlich klingen, wenn ich das sage, aber ich würde es wieder tun. Dein Vater hätte dich getötet. Auch wenn es eine folgenschwere Entscheidung war, es tut mir nicht leid, dass ich ihn daran hinderte.«
Er senkte den Kopf auf seine Knie, fühlte sich elend.
»Willst du denn gar nicht wissen, warum?« Sie legte eine Hand auf seine Schulter.
Er schüttelte ihren sanften Griff ab. »Nein. Nein, ich will nichts mehr davon wissen. Mein Kopfweh bringt mich um. Belass es dabei.«
Ein dunkler Verdacht erhärtete sich in ihm, was sie ihm als Nächstes offenbaren würde. Und er mochte es nicht hören. Es widerstrebte ihm, dass sich jenes kostbare Geschenk mit seinem Zorn und seinem Schmerz vermischen sollte.
»Weil ich dich liebte.«
Da war es.
Ihr zitterte die Stimme. »Ich habe dich geliebt, solange ich denken kann, seit ich ein junges Mädchen war. Ich liebte dich in all den Jahren, in denen du fort warst. Ich las jede Seite in jeder Zeitung, derer ich habhaft werden konnte, verschlang die Zeilen, auf der Suche nach einer Berichterstattung zu deiner Person. Nachts träumte ich von dir. Wann immer ich das Bett mit einem anderen Mann teilte, wünschte ich mir, du wärest es. Und ich werde dich wahrscheinlich bis zu dem Tag lieben, an dem ich sterbe, denn wenn ich aufhören könnte dich zu lieben, hätte ich das gewiss längst getan.« Sie atmete tief ein und stieß die Luft aufgewühlt wieder aus. »So, jetzt weißt du es. Ich liebe dich.«
22
M eredith verharrte stumm im flackernden Dunkel. Zu ängstlich, um sich zu bewegen, zu blinzeln oder gar zu atmen. Da war sie, die Wahrheit, die sie über Jahrzehnte hinweg in den Tiefen ihrer Seele eingeschlossen hatte. So tief verborgen, dass sie imstande gewesen war, sie vor sich selbst zu leugnen. Doch damit war es jetzt vorbei.
Je länger er schwieg, umso beklommener wurde ihr zumute. Furcht nagte an ihren Eingeweiden, bahnte sich einen Weg von ihrer Bauchgrube in ihre sämtlichen Glieder. Ergriff Besitz von ihrem Kinn, ihren Fingern und Knien, sodass sie zitterten.
»Ich liebe dich, Rhys«, sagte sie abermals. Denn was war letzten Endes verwerflich daran, es ein weiteres Mal einzugestehen? Sie legte ihre bebenden Finger auf sein Handgelenk. »Rhys? Bitte. Sag etwas.«
Nach einem zermürbenden Moment sagte er genau ein Wort.
»Verflucht!«
Sie nickte. Es war nicht das, was sie sich erhofft hatte, dennoch passte es unzweifelhaft auf ihre missliche Lage.
»Verflucht«, wiederholte er, dieses Mal lauter. Sein Fluch echote durch die Finsternis. »Warum hast du mir das nie offenbart?«
»Es tut mir unsäglich leid. Aber bis gestern ahnte ich nicht einmal, dass du dir in all den Jahren selber die Schuld an dem Feuer gegeben hast. Ich war der festen Überzeugung, du hättest es für einen Unfall gehalten. Weil es das war. Das Feuer war ein törichter, tragischer Unfall.«
Er hob den Kopf. »Wie konntest du mir das verschweigen? Hast du eine Vorstellung, welchen Unterschied es gemacht hätte, wenn ich das die ganze Zeit gewusst hätte?«
»Dass ich mein Ziel verfehlte und dabei versehentlich die Laterne ins Stroh warf? Oder dass ich dich liebe?«
»Beides. Vermagst du dir nur annähernd vorzustellen …« Ein erstickter Laut entwich seiner Kehle. »Um Himmels willen, mein ganzes verdammtes, vergeudetes Leben …«
»Es tut mir so leid. So entsetzlich leid. Ich wünschte, ich hätte es dir eher gesagt, aber …«
»Aber was, Meredith? Du hättest es mir eher sagen können . Du hättest es mir schon vor Wochen sagen können. Zumindest das Letztere.«
Ihr Herz krampfte sich zusammen. Sie richtete sich auf Knien auf, drehte sich zu ihm und schlang ihre Arme um seine Schultern. Es drängte sie, ihn in ihre Umarmung zu schließen, ihn festzuhalten. »Ich sage es dir jetzt, Rhys. Ich liebe dich.«
Die Muskulatur seines Körpers versteifte sich. »Ich sagte bereits, rühr mich nicht an. Nicht an diesem Ort.«
»Wie du meinst. Ich habe verstanden.« Widerstrebend ließ sie ihre Arme von seinen Schultern
Weitere Kostenlose Bücher