Zwei sündige Herzen: Roman (German Edition)
war ein langer, aufgewühlter Atemzug. »Der Mann ist tot«, sagte er nach einer Weile. »Wenn ich mich erzürne, dann endet es schlicht damit, dass ich mit meinem Zorn den Falschen treffe, einen Unschuldigen verletze, der es nicht verdient hat. Außerdem wird es nichts ändern.« Er räusperte sich. »Letzten Endes bin ich noch am Leben, trotz all seiner Bestrebungen, mich zu töten, und meines inständigen Bemühens, den Tod zu finden. Es hat so sollen sein. Dinge geschehen nun einmal so, wie sie geschehen sollen.«
Sie stöhnte auf. »Ich habe es satt, dich in dieser Weise reden zu hören. Es war nicht die Hand des Schicksals, die dich damals an diesen Ort brachte, Rhys. Du hast überlebt, trotz allem, durch deine eigene Kraft, deine Klugheit und Courage. Ich weiß es, weil ich genau wie du eine Überlebende bin. Und es ist für mich bestürzend zu hören, dass du es beständig auf ein Schicksal, eine Vorsehung, auf ein Es-hat-so-sollen-sein schiebst, obschon ich das Dorf über Jahre hinweg mit harter Arbeit und Opfern zusammengehalten habe. Ich habe ausgeharrt, als andere gingen. Ich schuftete weiter, als andere aufgegeben hatten. Heilige Mutter Gottes, ich heiratete einen Mann, der älter war als mein eigener Vater ! Erzähl mir nicht, dass das alles für nichts und wieder nichts war und dass mein Leben genauso verlaufen wäre, wenn ich irgendetwas anderes getan hätte. Du beleidigst mich mit dieser Art der Einschätzung. Du beleidigst dich selber. Du bist am Leben geblieben, und das nicht, weil das Schicksal dich vor dem Tod bewahrte, sondern weil du ein starker, tapferer, gescheiter, beharrlicher und gutherziger Mann bist. Es versetzt mir jedes Mal einen Stich ins Herz, wenn ich hören muss, dass du das leugnest.«
Er wusste nicht, was er darauf sagen sollte. Er erhob sich vom Boden, streckte sich und legte Holz auf das Feuer.
»Noch einen Cognac?«, fragte sie, als er sich wieder gesetzt hatte.
Er nickte wortlos.
»Ich glaube, mir ist eine gute Geschichte eingefallen. Die Darryl über den See erzählen kann. Möchtest du sie hören?«
Nein, wahrlich nicht. Aber offenkundig wertete sie sein Schweigen als ein Ja.
»Sie ähnelt ein wenig der, die du mir in Bath erzähltest. Darryl wird seine eigene Erzählweise haben, aber eigentlich lautet sie so.« Sie räusperte sich. »Einst, in den alten Zeiten, als die Moore mit Wäldern bedeckt waren und jene Wälder voller wundersamer Geheimnisse waren, gab es ein kleines Dorf, dort, wo heute Buckleigh-in-the-Moor steht. Das Dorf wurde nächtens von einem blutrünstigen Wolf heimgesucht. Derweil die Dorfbewohner schliefen, verschleppte der Wolf ihre Alten, Kranken und Kinder, um sie zu verschlingen. Die Leute waren nicht imstande, seinem grausigen Tun Einhalt zu gebieten. Eines Tages nahte endlich ihr Retter. Ein unerschrockener Recke und ein guter Mensch, der dazu berufen war, die Dorfbewohner vor Harm zu bewahren. Nacht für Nacht wagte er den gefährlichen Kampf mit dem Wolf, nahm Bisse und Reißwunden auf sich, um den Ort zu beschützen. Allmorgendlich, kaum dass der Wolf in sein Versteck zurückgekehrt war, machte er sich auf den Weg zu einem geheiligten See, wo er seine Wunden reinigte, damit sie heilten.
Da war ein junges Mädchen. Ein sehr neugieriges, oft einsames Mädchen. Sie folgte ihm heimlich jeden Morgen, um zu beobachten, wie er in dem See badete, das Blut wegwusch, um seinem geschundenen Leib Linderung und Heilung zu verschaffen. Für sie war jener Recke der schönste und der tapferste Mann, den sie jemals gewahrt hatte. Sie verliebte sich in ihn, wenngleich er sie nie bemerkte. Je mehr ihre Liebe wuchs, umso größer wurde der Schmerz, jeden Morgen Zeugin der Wunden zu werden, welche die Kreatur ihm gerissen hatte. Mit jedem Tag wurden sie tiefer und grausiger, denn in seinem unbändigen Hunger wurde der Wolf von Mal zu Mal blutdurstiger.
Eines Nachts blieb sie heimlich wach und stahl sich aus ihrer Hütte, um den Kampf zwischen Mann und Bestie zu beobachten. Der Recke kämpfte mit großem Geschick und viel Herzblut, doch in besagter Nacht bohrten sich die Zähne des Wolfes vor Verzweiflung gierig in dessen Fleisch. Derweil das Mädchen mit vor Entsetzen geweitetem Blick zuschaute, warf der Wolf seinen Gegner zu Boden, duckte sich über den ohnmächtigen Körper, bereit, ihm mit seinen scharfen, speichelbespritzten Fängen an die Gurgel zu gehen. Das Mädchen zog einen Pfeil und spannte ihn in ihren Bogen. Gerade als der Wolf zum Sprung
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